Wohnlage Rückblick
Die "Wohnlage" will Ideengeberin sein - für unterschiedliche Bereiche rund ums Bauen und Wohnen
Netzwerk Zukunftsorte/Lucas Ninno/Getty Images/Heimgenossenschaft Schweighof 2023/Allmende
115 Folgen "Wohnlage"
So viele tolle Ideen!
Im Januar 2021 startete ich mit dieser Kolumne und einer Frage, die viele betrifft: Wie können wir gut wohnen? Was macht moderne Wohnpolitik aus? In Folge 115 blicke ich zurück und nach vorn
Tim Wegner
19.12.2024
4Min

Jahresanfang 2021. Corona beherrscht unser Leben. Es schien, als wäre die Zeit stehengeblieben. Ich lebte schon länger in meinem eigenen Wohnprojekt und engagierte mich ehrenamtlich für ein genossenschaftliches Bauprojekt in Hamburg. Immer wieder traf ich Menschen, die mehr darüber wissen wollten: Wie geht das eigentlich, so ein gemeinschaftliches Hausprojekt? Wann sollte ich damit anfangen? Hilft mir das im Alter? Muss es immer Eigentum sein? Die erste Folge der Wohnlage über meine eigene Baugemeinschaft ging am 21. Januar online. Jetzt bin ich bei Folge 115 - Anlass für einen Rück- und Ausblick.

Zum Beispiel das Thema Tiny House, dazu inspirierte mich chrismon-Leserin Anja Pausch. Sie schrieb eine Mail und erzählte über die Erfüllung ihres Lebenstraumes in einem kleinen Mobilheim. Ein paar Monate später reiste ich ins Fichtelgebirge und schrieb einen größeren Text über den außergewöhnlichen Platz mit seinen schönen bunten Häusern.

Immer wieder schickten Leserinnen und Leser neue Themenideen. Zum Beispiel auf das Wohnprojekt "Allmende" in Gundelfingen: Eine Badewanne pro Stock reicht aus, erzählte Mit-Gründerin Jennyfer Wolf im chrismon-Webinar über "Gemeinschaftliches Wohnen".

Auch Jörn Luft war Gast in diesem Webinar. Er ist Vorstand im Netzwerk Immovielien. Vereine und Institutionen wie dieses Netzwerk vermitteln Experten und Ideen und ermöglichen Best-Practice-Beispiele wie die Samtweberei in Krefeld, ein Projekt der Montag-Stiftungen. Über Konzept und Arbeit sprach ich mit Johanna Debik ebenso wie mit Reiner Nagel von der Stiftung Baukultur oder David Matthée von der Stiftung Trias.

Als wir mit unserer Baugruppe begannen, kannte ich alle diese Menschen und vor allem auch ihre Organisationen leider noch nicht. Viele ihrer Ratschläge hätten uns bestimmt geholfen. Genauso wichtig sind staatliche oder kommunale Agenturen wie die in Hamburg, Frankfurt, München oder Köln. Und noch etwas würde ich aus heutiger Sicht auf jeden Fall VOR allen Verträgen als Baugemeinschaft machen: Eine rechtliche Beratung, wie sie die Fachanwältin Angelika Majchrzak-Rummel für Baugruppen und Kleinstgenossenschaften anbietet. Für gemeinwohlorientierte Projekten kann zudem die Hilfe vom Mietshäuser-Syndikat wertvoll sein, auch in finanzieller Hinsicht.

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Wenn ihr zusammen bauen wollt, vergesst nicht das Community-Building!

Die großartige Pionierin Eva Stützel, Mitgründerin des Ökodorfes Sieben Linden und "Erfinderin" des Gemeinschaftskompass hat superpragmatische Tipps für bestehende Gruppen und solche, die es noch werden wollen. Über das Gemeinschaftliche im Bauen, und auch über das, was mal schiefgehen kann, hat mich der Tom Voss für seinen Podcast "Wohnprojekte im Gespräch" befragt.

Ihr müsst ein altes Haus abreißen, in dem es noch viel Verwertbares gibt? Dann macht es wie Kathrin Fändrich in Augsburg. Dort musste eine alte Bibliothek einem Neubau weichen und Kathrin verkaufte alles, was irgendwie verwertbar war, vom Urinal bis zur Außentreppe. Heute hilft Kathrin als Regierungsdirektorin in Bayern, Innovation ins Bauen zu bringen. Oder vielleicht steht bei Euch in der Region eine Schule leer, ein schönes altes Rathaus verfällt? Dann vernetzt Euch auf der Webseite Netzwerk Zukunftsorte mit möglichen Investorengruppen oder rettet das Gebäude über einen Eintrag im Abrissatlas der Architects for Future.

Ich bin in einem klassischen Eigenheim aufgewachsen. Leider wurde das schöne Haus nach dem Tod meiner Eltern abgerissen, weil die neuen Besitzer, so wurde mir erzählt, eine Grundsanierung für nicht durchführbar gehalten hätten. Für ähnliche Fälle gibt es mittlerweile den "Sanierungssprint" - die klimaneutrale Komplettsanierung von Einfamilienhäusern in wenigen Wochen, berichtete der Wissenschaftler Patrick Zimmermann vom Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg.

Viele alte Menschen leben, wie meine Mutter vor ihrem Tod, allein in einem viel zu großen Haus oder einer überdimensionierten Wohnung. Daniel Fuhrhop sagt: Tausende von Wohnungen müssten nicht neu gebaut werden, wenn wir den "Unsichtbaren Wohnraum" besser nutzen würden. Einsamkeit im Alter ist ein weiteres wichtiges Thema. Christine Hannemann ist Deutschlands einzige Wohnforscherin und davon überzeugt: Wir brauchen dringend Alternativen zum Pflegeheim.

Für obdachlose Menschen gibt es selbst diese Alternative nur selten. "Housing First", also vorbehaltlos ein Dach über dem Kopf, lautet der Weg, den mittlerweile viele Bundesländer beschreiten.

Längst ist klar, dass es für bezahlbares Wohnen in Deutschland Reformen braucht. Hier müssen wir an die schwierigen Themen ran, wie zum Beispiel preiswerteren und trotzdem schönen sozialen Wohnungsbau; oder auch das unsägliche Thema, wie mit unserem kostbarsten Gut, dem Grund und Boden spekuliert (und völlig ungerechtfertigt viel Geld verdient) wird. Der Ökonom und Steuerexperte Dirk Löhr fordert seit Jahren statt der Grund- eine "Bodenwertsteuer", eine, wie ich finde, genau richtige Lösung.

Überhaupt geht es in der Wohnlage immer wieder um gute Lösungen und so freute ich mich über ein Gespräch mit Lage der Nation-Host Ulf Buermeyer zu ihrem Buch: "Baustellen der Nation". Falls Ihr noch kein Weihnachtsgeschenk habt: diese Studie mit vielen Lösungsvorschlägen wäre eines.

Last but not least habe ich mir bei der Rückschau angesehen, welche Folgen besonders intensiv gelesen und auf den Socials diskutiert wurden. Ganz weit oben steht das Gespräch mit dem Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani. Er ärgert sich über die aktuelle "Wegwerfarchitektur" und fordert schlicht einen Baustopp! Lustig waren auch die Resonanzen auf den Beitrag über ein Wohnprojekt in Stockholm. Wie bitte geht das? Privates Leben nur im Doppelstockbett? Ich weiß, es geht. Schließlich lebt mein Sohn dort.

Und dann war da noch die Folge, in der ich mich über die Silber- und Papierfischplage in unserer Wohnung geärgert hatte. Immerhin hatten uns die lieblichen Viecher einen Kunstdruck angefressen. Mich erreichten viele Tipps, einen habe ich erfolgreich umgesetzt. Bingo!

Unabhängig von eher leichten Themen gilt: Wohnen und Wohnpolitik gehört zu den wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen unserer Zeit. Ich bin mir daher sicher, dass mir die Themen für weitere 115 Folgen der Wohnlage nicht ausgehen werden. Ideen von Euch sind immer willkommen.

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.