Christian Seiler, 33, ist Straßenbahnfahrer in Freiburg. Beide Ohren werden mit einem Cochlea-Implantat versorgt
Kurz nach meiner Geburt gaben meine biologischen Eltern mich zur Adoption frei, weil ich gehörlos war. Sie lebten in Rumänien und hofften, dass die medizinische Versorgung in Deutschland besser ist und ich so größere Chancen auf ein "normales" Leben hätte.
Zunächst bekam ich die stärksten Hörgeräte, die es damals gab. Als Einjähriger riss ich sie aber immer ab und hörte gar nichts. Deshalb wurde mir das erste Cochlea-Implantat (CI) im linken Ohr eingesetzt. Eine Hör- und Sprachtherapeutin hatte dazu geraten. Heute wird die Operation in der Regel beidseitig gemacht, damit sich beide Ohren gleichermaßen entwickeln können.
Ich erhielt erst zehn Jahre später das zweite CI – und bemerkte einen deutlichen Unterschied: Nach der Schule brauchte ich nur noch halb so viel Zeit, um mich auszuruhen und mich an die Hausaufgaben setzen zu können. Vor allem mein Vater trainierte täglich mit mir Hören. Er las Zeitungsartikel vor, ich las mit und musste Fehler erkennen: Im Sportteil machte er zum Beispiel aus "Bayern" "Dortmund". Bei einem audiologischen Test nach einem halben Jahr waren die Ärzte begeistert, weil sie nicht gedacht hätten, dass ich nach der zweiten Operation noch mal so einen Fortschritt machen würde.
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So wirkt ein Cochlea-Implantat
Ein Cochlea-Implantat (CI) ist eine Innenohrprothese. Sie ermöglicht, dass Menschen mit hochgradiger Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit, aber funktionsfähigem Hörnerv hören können.
Das CI ersetzt die Hörschnecke (Cochlea) im Innenohr. Es wandelt Schall in elektrische Impulse um und leitet sie an den Hörnerv weiter. Dabei wird ein Implantat hinter dem Ohr eingesetzt und seine Elektrodenträger in die Hörschnecke eingeführt. Das Implantat ist über eine Spule mit einem Sprachprozessor verbunden, der am Ohr getragen wird. Das Gerät nimmt Geräusche auf und gibt sie an das Implantat weiter. Vor allem Menschen, die erst im Laufe ihres Lebens gehörlos geworden sind, müssen sich an das neue Hören gewöhnen. Generell ist viel Training nötig, um mit dem Implantat gut hören zu können.
Der Erfolg eines CI hängt davon ab, in welchem Alter und wie lange jemand bereits gehörlos ist und ist abhängig von den individuellen Erwartungen. Die einen sind zufrieden, wenn sie damit telefonieren, andere, wenn sie Musik genießen können, schreibt die Deutsche Cochlea-Implantat Gesellschaft (DCIG).
In Deutschland gibt es das CI seit rund 40 Jahren. Nach Angaben der DCIG tragen rund 60.000 Menschen mindestens ein Implantat (Stand: 2023). Pro Jahr lassen sich etwa 5.000 hochgradig Schwerhörige oder Gehörlose ein Cochlea-Implantat implantieren.