Jessica B. (Jahrgang 1967)
Meine Eltern waren zu arm, um zwei Kinder durchzubringen. Ich war fünfeinhalb, Südkorea damals, 1972, ein Entwicklungsland. Ich hatte noch einen kleinen Bruder, und Jungs sind in Asien mehr wert. Wir lebten in einem Raum, und ich hörte, wie meine Mutter zu meinem Vater sagte: "Du musst sie aussetzen, wir können sie uns nicht leisten." Mein Vater sagte: "Nein, das kann ich nicht." Und sie: "Du musst." Ich habe meinen Bruder gewindelt und auf ihn aufgepasst, um meinen Eltern zu zeigen, dass ich nützlich bin; ich betete, dass sie mich nicht aussetzen.
Adoptionen wurden in Südkorea tabuisiert
Ich erinnere mich, dass mein Vater mit mir einkaufen war auf einem Markt. Er sagte: Du wartest hier, ich komme gleich, ich hole nur das und das. Der Markt wurde immer leerer. Neben mir hatte eine ältere Frau einen Stand, sie sagte immer: "Er wird nicht wiederkommen." Ich sagte: "Doch." Irgendwann war nur noch sie da. Sie lieferte mich bei der Polizei ab. Die brachte mich in ein Heim.
Die Heime waren voll mit ausgesetzten Kindern. Wir lebten und schliefen in einem großen Raum, alle hofften, dass irgendjemand aus einem anderen Land sie adoptiert. Die meisten Adoptiveltern wollen ein Kind bis maximal dreieinhalb. Ich war schon sieben, als ich adoptiert wurde. Erstaunlich. Aber meine deutschen Adoptiveltern wollten ein Mädchen im Alter ihres Sohns.
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Im Heim hatten sie gesagt: Wenn du alles tust, was sie sagen, schicken sie dich nicht zurück. Wenn man das Vertrauen verloren hat, weil die Eltern einen abgeschoben haben, dann ist man umso gehorsamer, damit man den neuen Eltern gefällt. Aber der Anfang in Deutschland mit sieben war wirklich schwer: Sprache, Schule, Kultur, das Essen, die Menschen. Meine Adoptivmutter hatte hohe Erwartungen, sagte aber nie genau, was sie von mir erwartet. Mein Adoptivvater, von Beruf Handelsvertreter, hat bedingungslos geliebt. Er war ein warmherziger Mensch.
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