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Wie schon öfter hier erzählt, lebe ich in Hamburg in einer Baugemeinschaft. Von hier oben im Norden aus gesehen, hatte ich lange Jahre lang ein bisschen mitleidig in den Süden zur ewigen Rivalin München herab geschaut. Klar, da gibt es die besseren Biergärten, aber wohnen wollte ich da nie. Teuerste Baustadt des Landes las ich immer wieder, seit Jahrzehnten, und auch noch heute, nur langweilige Luxusklötze.
Wenn ich in München Freundinnen und Freunde besuchte, von meiner Baugemeinschaft, unserem Mobilitätskonzept oder der in Hamburg bei der Vergabe von öffentlichen Grundstücken mittlerweile weit etablierten Form der Konzeptvergabe erzählte (nicht die kriegt das Grundstück, die am meisten zahlt, sondern die, die die beste Idee hat), dann waren die beeindruckt und bestätigten mein (Vor)urteil: Whow, was bei Euch alles möglich ist, hier in München wird einfach alles immer nur teurer.
Tja, man lernt ja immer wieder dazu. München kann ganz anders. Zum Beispiel mit so einem coolen Genossenschafts-Projekt wie San Riemo, die ich für das aktuelle chrismon Heft porträtiere. Was für eine tolle Idee! Flexible Grundrisse, eine neue und mutige Architektur.
Für diesen Blog sprach ich nochmal mit dem Vorstand der dahinter stehenden Genossenschaft Kooperative Großstadt (KooGro eG), Markus Sowa. Was er mir vertiefend erzählte, fand ich beeindruckend. Gerade weil München so sauteuer, so schamlos luxuriös sei, habe die Politik gegengesteuert, und zwar schon vor Jahrzehnten.
Wer in München beispielsweise eine Genossenschaft gründen will, bekommt tätige Hilfe von der Mitbauzentrale. Die Stadt hat ein großes Projekt zur gerechteren Verteilung von Wertzuwächsen bei Baugrundstücken aufgelegt: Die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN), und zwar schon 1994, das ist echt lange her. 2019, so erzählte mir Markus, hat sich dazu das Bündnis Pro SEM! gegründet, ein überparteilicher Zusammenschluss von Organisationen, Vereinen, zivilgesellschaftlichen Initiativen, Unternehmen und Einzelpersonen. Sie alle setzen sich ein für eine lebenswerte Stadt mit bezahlbaren Wohnungen für alle und eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik.
SEM ist übrigens die Abkürzung von „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“; merke in der Stadt- und Baupolitik wird alles, wirklich alles abgekürzt. Für Außenstehende manchmal sehr abtörnend.
Der Münchener Weg ist weiblich
Markus erzählte mir noch viel mehr, alles zu wiederholen würde den Rahmen dieses Blogs sprengen. Was ich mal wieder gehört habe: Wer Wohnen und Wohnbaupolitik gerechter machen will, muss in die Aktion. Nur ein breites Bündnis aus Politik, Kultur und Gesellschaft kann tatsächlich etwas erreichen. Doch ohne eine politische Vision, eine Rahmenrichtlinie, geht es nicht.
Stadtbaupolitik in München wird übrigens seit Jahrzehnten maßgeblich von Frauen (in der großen Baupolitik leider immer noch eine Ausnahme) bestimmt. Von 1992 bis 2007 leitete die Architektin und Stadtplanerin Christiane Thalgott das Baureferat. Ich habe Christiane Thalgott mal persönlich kennengelernt und kann nur sagen: Whow – was für eine Power und Strahlkraft. Ihre Nachfolgerin heißt Elisabeth Merk, noch so eine Frau mit Visionen. Gerade letzte Woche erschien im sehr hörenswerten Podcast Urban Change ein Interview mit Elisabeth Merk – über München und die Wohnungspolitik dort.
Also, liebe Freundinnen und Freunde da unten in München – wenn ich das nächste Mal zu Euch komme, dann schauen wir mal ein paar Videos, über Eure coole Stadt.
Zwei PS:
1. Wer mehr über innovative Genossenschaften sehen und hören will, dem empfehle ich die schöne Reihe mit Videos: „Wie wir leben wollen“, initiiert von der Hamburger Architektenkammer. Dort habe ich auch das erste Mal von San Riemo gehört.
2. In der letzten Woche sprach ich im Blog über die Idee, in Parks vielleicht auch mal Stühle statt Bänke aufzustellen, von wegen leichter miteinander kommunizieren und so. Dagmar Hempel aus Stuttgart schickte mir daraufhin die folgende Info über das Hospitalviertel: Die wandernden Stühle, auch eine schöne Idee, wohl leider von Sparmaßnahmen bedroht.
Ihre Reihe über Alternativen in der Stadtentwicklung
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Hallo Frau Heintze,
das ist eine sehr gelungene Reihe. Immer wieder überraschend welche Projekte es bereits in Deutschland gibt um die Quote an Eigentum auch Menschen mit dem kleinen Portemonnaie zu ermöglichen. Und neben dem finanziellen Aspekt gibt es dann auch noch kreative Lösungen, die vor allem auf Gemeinschaft, Diversität und kreativen Konzepten basiert. Vielleicht sollten die Kirchen beginnen über das eine oder andere Kirchengebäude nachzudenken und durch kreatives Kombinieren von Gotteshaus und Wohnen neue Lebensformen mitten und en Städten zu ermöglichen. Ich freue michauf Ihre weiteren Folgen ... da capo