Eine Hand, die ein Architektur-Modell hält
Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen
"Leben braucht neue Räume"
Wie kann ich neu und anders wohnen? In Frankfurt öffnen zwölf innovative Wohnprojekte am 14. Mai ihre Türen für Interessierte. Organisiert wird der Tag vom „Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen“
Tim Wegner
21.04.2022

Frankfurt am Main. Hier gibt es viele schöne Hochhäuser, guten Apfelwein, Handkäs in netten Kneipen, aber wie in allen deutschen Metropolen gibt es viel zu wenig preiswerten Wohnraum. Dabei hat die Stadt schon vor Jahren ein Instrument geschaffen, das genau dazu führen soll: Mehr guten und preiswerten Wohnraum: Eine Koordinations- und Beratungsstelle beim „Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V.“

Birgit Kasper war von Anfang an dabei. 2009 war das. Zuvor hatten, so berichtet es die Diplom-Ingenieurin und Stadtplanerin, mehrere „zornige engagierte Damen“ den Verein gegründet, zornig weil: „Die hatten sich gesagt: Wir haben unser Leben lang alles richtig gemacht: gearbeitet, in die Rente eingezahlt, Kinder großgezogen, ehrenamtlich tätig, vielleicht sogar ein Haus gebaut.“ Doch dann wurden sie älter. Häufig starb der Mann früher, es drohte Altersarmut. Die große Wohnung war nicht mehr zu finanzieren, viele Frauen wollten auch gar nicht allein bleiben, andere konnten keine Treppen mehr steigen. Wohin dann?

Gemeinschaftliche neue Wohnformen für ältere Menschen gab es damals noch nicht, oder fast nicht, am Main.

Neue Wohnformen für Stadt und Land

Also gründeten sie erste Wohnprojekte und organisierten sich als Verein; zunächst komplett ehrenamtlich und schafften dann durch Unterstützung der Stadt Frankfurt mit wenig Geld eine halbe Stelle. Sie stellten Birgit Kasper ein und begannen damit, neue Wohnformen für Frankfurt und die Region zu entwickeln.

Mittlerweile ist aus dem kleinen Verein ein professionell agierendes Netzwerk geworden; immer noch ein Verein, aber mit mehreren Teilzeitkräften, weiterhin mit der von der Stadt Frankfurt finanzierten Koordinations- und Beratungsstelle und einer Geschäftsstelle in den Räumen des Amtes für Wohnungswesen in der Adickesallee 67-69. Hinzu kam 2020 noch die Gründung einer genossenschaftlichen Immobilienagentur.

Schon fertig: Das Wohnprojekt "Doppelpunkt Uliba" in Frankfurt-Unterliederbach

Birgit Kasper leitet die Geschäftsstelle. Seit Jahren ist sie auch bundesweit aktiv in der Wohnprojekteszene und befasst sich weit über die Grenzen Frankfurts hinaus mit neuen Wohnformen. Das Frankfurter Netzwerk ist mittlerweile auf über 100 gemeinschaftliche Wohnformen und Wohnprojekte gewachsen, stetig kommen neue hinzu.

Ein großer Erfolg für das Netzwerk waren 2015 die Einführung des Konzeptverfahrens und 2020 die Verabschiedung des sogenannten „Baulandbeschlusses“ für Frankfurt. Sehr vereinfacht beschrieben besagt er: Will ein Investor ein Baugebiet entwickeln, so muss er Auflagen in Bezug auf die soziale Durchmischung erfüllen. Das ist die Grundlage für städtisches Leben und muss aber noch zur Routine werden, berichtet Birgit Kasper. Doch wichtiger als der Einzelfall sei der politische Richtungswechsel, denn die Bankenstadt am Main damit eingeleitet hat. Auch öffentliche Grundstücke werden nicht mehr nur nach Höchstpreisgebot vergeben, sondern eben auch nach einem Konzeptverfahren. Und schon das ist eine kleine Revolution, auch wenn sie gegen die immer heftigere Spekulation am Wohnungsmarkt vielleicht nur wie ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein wirken mag.

Birgit Kasper bleibt optimistisch. Längst ist das Netzwerk in der ganzen Region gefragt, seit kurzem gibt es daher auch eine vom Land finanzierte Beratungsstelle für Hessen mit Newsletter und regelmäßigen Info-Veranstaltungen.

Denn eines ist klar: Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung. Immer mehr Menschen suchen nach neuen und anderen Wohnformen, längst sind es nicht mehr nur zornige engagierte Damen, sondern Vertreter*innen aus allen sozialen Gruppen, egal ob Ältere, ob bessere Nachbarschaften für Kinder oder mehr Inklusion... Denn, so Birgit Kasper: Das Rad lsse sich nicht mehr zurückdrehen: "Das Leben fordert neue Räume!"

Info: Am 14. Mai veranstaltet das Netzwerk den Tag des offenen Wohnprojektes. 12 noch im Bau befindliche oder auch schon realisierte Wohnprojekte öffnen ihre Türen. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Mehr Informationen, auch ein Flyer und andere Materialien, gibt es auf der Webseite des Netzwerkes. Anfragen gerne per Mail an die Geschäftsstelle oder auch telefonisch:  Tel.: 069 91 50 10 60

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.