Studierende in Augsburg nehmen Maß an der Wendeltreppe, damit auch sie gut verkauft werden kann
Studierende in Augsburg nehmen Maß an der Wendeltreppe, damit auch sie gut verkauft werden kann
Matthias Leo
Auch das gebrauchte Urinal hat seinen Markt
Genug geredet, lasst Taten folgen
Was kann beim Abriss eines Hauses alles wiederverwendet werden? Viel mehr, als wir alle denken, hat die Augsburger Baudirektorin Kathrin Fändrich bewiesen: Bauen im Kreis ist möglich
Tim Wegner
23.02.2023

Es war einmal eine metallene Fluchttreppe. 

Sie stand in Augsburg an der Außenwand einer alten Stadtbücherei, die einem Neubau weichen sollte.

Abriss und Verschrottung von Haus und Inventar waren schon beschlossen – da hatten ein paar schlaue Menschen in Augsburg eine Idee: 

Könnte man das Inventar des Hauses nicht einfach verkaufen? 

Und gleich dachten sie weiter. Wenn wir tatsächlich für die Fluchttreppe Abnehmer finden, was könnte noch einen Markt haben? Die Waschbecken? Lampen, Fliesen, Holzzargen, Treppengitter, Türgriffe, Fenster, Wandspiegel, Natursteinplatten...und...und....und. 

Einer dieser schlauen Menschen ist Kathrin Fändrich, Leiterin der Hochbauabteilung in Augsburg. 

Ihr Motto: „Positionspapierchen gibt's genug. Nachhaltigkeit lebt von Taten.“

Mit dabei in der Nachdenkgruppe war die aus Dänemark stammende und an der Hochschule Augsburg lehrende innovative Professorin Mikala Holme-Samsøe mit ihren ebenfalls sehr schlauen Studen*innen und eine Firma in Berlin, die sich aufs zirkuläres Bauen spezialisiert hat und damit spektakuläre Erfolge feiert: Concular

Zusammen gingen sie ans Werk, erstellten eine Inventarliste des Hauses; vermaßen Heizungen, Fenster, die Fluchttreppe und erstellten einen Verkaufskatalog für insgesamt 400 Teile:

Kathrin Fändrich weiß heute: „Wir brauchen uns nicht mehr fragen, ob es für solche Dinge einen Markt gibt. Es gibt ihn." Und ja, auch für das gebrauchte Urinal.

Die Fluchttreppe fand eine neue Heimat bei der Familie Vogl in Sulzbach-Rosenberg, in der Oberpfalz:

Die Kellerschachtgitter wurden zu Startrampen des Bikeparks Tettnang am Bodensee:

Kathrin Fändrich berichtet, dass für Abbau, Fahrt auf die Deponie und anschließende Entsorgung der Fluchttreppe 7 000 Euro im Kostenplan des Abrisses eingeplant waren. Die Wiederverwertung schlug in Summe am Ende mit fast 1000 Euro plus zu Buche.

Kathrin Fändrich

Kathrin Fändrich

Kathrin Fändrich ist seit 2024 Regierungsdirektorin im Planungsstab der Bayerischen Staatskanzlei. Zum Zeitpunkt des Interviews mit chrismon hatte sie in Augsburg den Bereich Hochbau verantwortet.
 

Noch Fragen?

Zitat Kathrin Fändrich: 
"In Augsburg haben wir im Kleinen begonnen. Jetzt muss es aufs Große ausgeweitet werden. Mit diesen Erfahrungen im Gepäck mache ich mich in diesem Jahr auf den Weg und sag es jedem, der mir begegnet: Wir müssen aufhören, zu verschwenden.“

PS: Aktualisierung 2024: Kathrin Fändrich ist mittlerweile Regierungsdirektorin bei der Bayerischen Staatskanzlei

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.

Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.