Mit der Wahlfamilie beerdigt werden
Ich suche mein eigenes Grab
Gemeinschaftlich leben, das tue ich seit Jahren. Doch was ist eigentlich, wenn ich tot bin? Meine Idee ist ein Gemeinschaftsgrab. Mit Menschen, die ich im Leben gut kannte. Dafür suche ich einen Platz
Dorothea Heintze auf dem Friedhof
Drum prüfe, wer sich ewig bindet....
Andreas Honert
Tim Wegner
24.10.2024
4Min

Wer diese Kolumne öfter liest, weiß: Ich lebe seit einigen Jahren in einer Baugemeinschaft in Hamburg. Wie gestern erinnere ich mich an unser Vorstellungsgespräch in der Gruppe: "Mein Traum ist ein Haus, in dem das ganze Leben vertreten ist: Unten Kita, dann Wohnungen, oben ein Hospiz..."

Hospiz im Haus? Da war ich damals die einzige, und ich stoße auch heute immer wieder auf Befremden, wenn ich das erzähle. Ich jedoch denke: Warum soll der Tod trennen, was das Leben so schön zusammengeführt hat? Und was ist mit der Beerdigung?

Mein Mann, das haben wir schon vor Jahren besprochen, möchte eine anonyme Seebestattung. Ich find das doof. Keine Erinnerung an seinen Namen, und "ertrinken" war schon immer eine Horrorvorstellung für mich. Meine Eltern liegen an einem Platz, der mir nichts mehr sagt. Und sowieso stehe ich dem Konzept der biologischen Familie kritisch gegenüber. Kann sein, dass es passt. Kann aber auch sein, dass nicht.

Ich habe Freundinnen und Freunde, die kenne ich seit Jahrzehnten, auch in unserer Baugemeinschaft. Warum nicht dort Grab-Genossinnen suchen? Wer monatelang in Planungsrunden bis in die Nacht konstruktiv über Klodeckel-Modelle und Wandfarben diskutiert, der/die passt vielleicht auch gut zusammen in ein Gemeinschaftsgrab? Kommt hinzu: Viele unserer Kinder kennen sich. Geteilte Grabpflege ist halbe Grabpflege.

Vor einiger Zeit porträtierte ich ein Wohnprojekt für ältere Menschen in Neuwied. Die haben sich einen gemeinsamen Gedenk-Baum in einem Friedwald gekauft. Ich bin also nicht allein mit meiner Idee, aus der Bau- vielleicht auch eine Grabgemeinschaft machen zu wollen.

Lesetipp: Welcher Friedhof passt zu mir?

Friedhöfe schrumpfen, das wissen wir seit Jahren. Immer mehr Menschen scheuen Aufwand und Kosten einer Erdbestattung. Ich finde das traurig. Friedhöfe sind Kulturgüter. Sie gehören zu unserer Geschichte. Sie sind grüne Lungen in Städten. Ich bin oft auf Friedhöfen unterwegs, sie erzählen Geschichten, strahlen einen unglaublichen Frieden aus. Wie wichtig ist mein Problem angesichts der Endlichkeit meines Lebens?

Eine Kollegin und Freundin von mir ist Patin eines alten, aufgegebenen Grabes in Frankfurt. Großartige Idee: Sie kümmert sich darum, dass die wunderschöne, denkmalgeschützte Marmorstatue aus dem letzten Jahrhundert nicht verfällt, trägt auch die Kosten dafür. Im Gegenzug bekommt sie diesen schönen Platz für die eigene Beerdigung für sich und ihre Familie kostenlos. Eine Win-Win-Situation.

Lesetipp: Stirbt der Friedhof aus?

Nachdem ich das erste Mal beim Grab meiner Freundin war, telefonierte ich mit der Friedhofsverwaltung in Hamburg. Klar, sagte die nette Dame, ich könne ein denkmalgeschütztes Grabmal als Patin übernehmen - allerdings nicht kostenlos.

Heißt: Ich würde doppelt zahlen, einmal für den Platz auf dem Friedhof selbst und dann auch für den Unterhalt des Denkmals. Und da ich ja eine Grabstätte für viele Menschen suchen würde, müsste es ein großes Grab sein. Und überhaupt: Welche Rechtsform würde ich denn wählen wollen? Verein? GbR? Oder würde ich einen "Grabüberlassung" mit meinen Freunden besprechen wollen...

Oh weh - das fand ich zu anstrengend. Ich war gerade umgezogen und kämpfe bis heute darum, dass unsere Gemeinschaft zusammenwächst. Mein Projekt schlief ein.

Seit ein paar Wochen höre ich den Podcast meines Kollegen Konstantin Sacher "Über das Ende". Alle zwei Wochen erzählen mir dort Menschen Geschichten zum eigenen Tod.

Das gab mir neuen Schwung und so radelten der Gatte und ich neulich über den wunderschönen Parkfriedhof in Ohlsdorf. Immerhin der größte der Welt.

Schöne Plätze gibt es in Ohlsdorf viele....

Ein entspannter Ausflug. Ich habe gesagt, was mir wichtig wäre: Ein sonniger Platz, eine Grabanlage von einer Hamburger Familie, die jetzt verfällt und wo ich, wir (!), helfen können, dass sie erhalten bleibt. Vielleicht könnte da später eine Bank stehen, auf der sich die Menschen, die mich und/oder meine hier mit begrabenen Freund*innen kannten. Die sich Geschichten über uns erzählen, ein Picknick machen und nicht nur mit Trauer ans uns zurückdenken.

Wir mussten viel lachen an diesem Tag. Total naive Illusionen. Aber egal. Es hat Spaß gebracht.

So richtig was gefunden habe ich nicht. Es hat nicht Klick gemacht. Mal ganz davon abgesehen, dass ich ja von außen nicht sehen kann, ob diese schöne Statue oder jenes Familiengrab überhaupt frei für eine wie auch immer geartete Patenschaft wäre. Und wer war das, der oder die da beerdigt wurde? Nachher kommt raus, dass ausgerechnet diese Familie Nazis waren, oder irgendwelche anderen blöden Typen?

Fragen über Fragen.

Ich muss mich jetzt erst mal auf die Suche nach Menschen machen, die sich das auch vorstellen können. Einer oder eine reicht meistens. So fing es mit der Idee der Baugemeinschaften schließlich auch mal an....

PS: Für alle Hamburger*innen hier: Am Dienstag, 29.10.24, sitze ich mit auf dem Podium beim "Meet und Greet" der Kontaktbörse für Baugemeinschaften, Thema: Wir das Zusammenwachsen gelingt.... 18 Uhr, Betahaus/Schanze. Sehen wir uns?

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.