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Wir brauchen mehr preiswerten Wohnraum. Doch wie können Architektinnen, Bauunternehmen, Planerinnen und die Politik preiswert bauen, da sich doch alles sehr verteuert hat? Indem sie an der Qualität sparen? Und hässliche Massenware bauen?
Nein, sagt Karin Siebeck, Regierungsdirektorin für Baupolitik in Hamburg. Und macht es anders. Indem sie Ideen einbringt und umsetzt.
Ich kenne Karin Siebeck seit einigen Jahren - aus der Zeit, als ich ehrenamtliche Vorständin der Genossenschaft Gröninger Hof eG in Hamburg war. Wir wollen ein Parkhaus zu einem Wohnhaus umbauen. Ein tolles, aber auch ein unglaublich schwieriges Projekt mit vielen Problemen und hohen Auflagen. Ohne wirklich gute Kooperation mit wichtigen Menschen in der Verwaltung wären wir schon beim Start gescheitert.
Karin Siebeck habe ich als erfrischend unkonventionell, innovativ, spontan und wenig "verwaltungs-technokratisch" kennengelernt. Sie wurde am Bodensee geboren. Sie hat Volkswirtschaft studiert und zog nach der Geburt des ersten Kindes nach Kiel. Sie arbeitete im Finanz- und Wirtschaftsministerium. Es war die Zeit nach der Barschel-Affäre (CDU) unter Ministierpräsident Björn Engholm (SPD). Aufbruch, Neuanfang, überall entstanden "Denkfabriken", erinnert sich Karin Siebeck heute. Ein Zeit für Quereinsteigerinnen wie sie: "Ich wollte eigentlich in die Wissenschaft und ganz bestimmt nicht in die Verwaltung!"
Doch genau da landete sie: beim Wohnungsbau im Innenministerium von Schleswig-Holstein. Da ging es schnell bergauf. Sie saß in länderübergreifenden Arbeitsgruppen und Fachkommissionen der Bauministerkonferenz: "Ich konnte viel mehr gestalten, als ich dachte", berichtet sie. Und: "Im Wohnungsbau sieht man sehr schnell, was man tut." Ihr Antrieb? "Ich bin tierisch neugierig, suche nach integrativen Lösungen und habe überhaupt keine Lust auf stereotypisches Arbeiten."
Seit 2015 ist sie in Hamburg. Amtsleiterin für Wohnungsbau im Rang einer "Leitenden Regierungsdirektorin", sprich: ziemlich weit oben. Und dort gestaltet sie weiter.
Ich traf sie wieder, als sie im Sommer eine Ausstellung über innovative Grundrisse für geförderten Wohnungsbau mit eröffnete. Noch so ein Lieblingsthema von ihr. Heißt günstig immer langweilig? Heißt bezahlbarer Wohnraum immer: standardisiert?
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Denn das ist ja die Krux bei den vielen (in der Tat oft ziemlich großartigen) Fördermodellen für den sozialen Wohnungsbau: Sie stecken voller Auflagen. So sind die Grundrisse auf die Haushaltsgröße zugeschnitten, bezahlbar und effizient, aber nicht unbedingt innovativ oder erst recht nicht flexibel. Sie wachsen nicht mit, passen sich der Entwicklung von Wohnbedürfnissen nicht an. Karin Siebeck will das ändern.
Unzeitgemäß wirken die Förderauflagen (übrigens je nach Bundesland sehr unterschiedlich) auch da, wo zu starre Regeln für Wohnungs- und Raumgrößen für Wohnen, Schlafen, Kochen gelten - die bei so vielen beliebte Wohnküche, gar mit dem Bett in einem Raum, ist tabu. Und was auch galt: Gefördert wurde Wohnraum nur innerhalb der eigenen Wohnung. Das galt zunächst auch für alle geförderten Wohnungen im Gröninger Hof.
Doch eben auch dank der Arbeit von Karin Siebeck und ihrem Team gelang die Erarbeitung einer neuen und modernen Fördermöglichkeiten, indem sie eine ressourcensparende Flächennutzung honoriert und neue Typen an Gemeinschaftsflächen fördert, vorbildhaft für alle Bundesländer und andere Verwaltungen. Ein Beispiel? Kinderzimmer.
Im Gröninger Hof wird jede Wohnung etwas von der selbst finanzierten Fläche in den Gemeinschaftstopf geben, sodass ein großes gemeinschaftliches Spielzimmer gebaut werden kann. Das ist ein Meilenstein für innovative Wohnprojekte, die eben gerade viele Gemeinschaftsflächen bauen wollen, um den individuellen Quadratmeter-Verbrauch pro Kopf zu senken.
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Karin Siebeck freut sich über solche "Fortschritte"; ebenso über den Wettbewerb zu innovativen Grundrissen für den geförderten Wohnungsbau. Es ging um gute Ideen, vielleicht auch mal Visionen, denn nicht alles kann oder soll wirklich umgesetzt werden. Was ihr auch besonders wichtig war: Im Vorfeld des Wettbewerbs hatte ihr Amt über die Wohnforscherin Ingrid Breckner Bedürfnisse abfragen lassen – und da kam zum Beispiel heraus: Familien mit migrantischem Hintergrund finden Wohnküchen oft gar nicht so klasse, denn die abgeschlossene Küche bietet den Frauen in traditionellen Familienformen oft einen Rückzugsort. Also wieder neu denken.
Menschen sind unterschiedlich, ihre Bedürfnisse auch. Fördermodelle jedoch müssen standardisiert sein, nur so funktionieren sie in der Breite. Und genau hier wird Innovation, wird Kreativität oft ausgegrenzt.
Nicht so bei Karin Siebeck. Toll, dass es Menschen wie sie gibt.
PS: Mehr schöne und innovative Grundrisse gibt es auf der Webseite des Wettbewerbs zu sehen.