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20. März 2013. Hamburgs damalige Bausenatorin Jutta Blankau hatte eingeladen zur „Stadtwerkstatt“, Thema: „Hamburgs mobile Zukunft“. Auf den Podien sitzen Verkehrsexperten und Wissenschaftler, es reden die Senatorin, der Oberbaudirekt, dazu betroffene Bürger, Vertreter von Interessengemeinschaften – und ich: Mitglied und Sprecherin einer Baugemeinschaft in der HafenCity.
Zu diesem Zeitpunkt gab es unsere Gruppe seit zwei Jahren. In der Stadtwerkstatt ging es unter anderem auch um den sogenannten Stellplatzschlüssel in der Stadt. Laut der damals noch geltenden „Stellplatzverordnung“ musste jeder Bauherr für ausreichende Stellplätze pro Wohnung auf seinem Grundstück sorgen, damit die parkenden Autos nicht Straßen und Gehwege verstopfen. Für unser Projekt hieße dies, eine zweite, teure Tiefgaragenebene zu bauen. Das wollten wir nicht. Wir gründeten eine „Mobilitäts-AG“ und redeten mit Wissenschaftlern, verhandeleten mit den Baudezernenten, und erarbeiteten ein Mobilitätskonzept: Weniger Parkplätze, also weniger Privat-PKWs für alle Bewohner, statt dessen Carsharing, viele Fahrradplätze, vergünstigte Nahverkehrstickets durch ein Umlagenmodell und vieles mehr. Die Verwaltung gab uns eine Ausnahmegenehmigung. Auf dem Podium der Stadtwerkstatt schimpfe ich über eine so unsinnige Vorschrift wie die Stellplatzverordnung, die es engagierten Bürgern schwer macht, zukunftsträchtige Modellprojekte zu realisieren. Es gab viel Applaus – vor allem von den Fachleuten aus den Behörden. Ein schöner Abend!
Wenige Monate später wurde die Stellplatzverordnung offiziell abgeschafft. Auch wir hätten dazu beigetragen, berichtete mir später ein Insider aus der Verwaltung. Wir waren der lebende Beweis für Verwaltung und Politik, dass es auch ohne geht. Als weg damit.
Im letzten Jahr traf ich auf einer Veranstaltung Ingrid Breckner. Schon seit Jahrzehnten forscht die bundesweit bekannte Professorin zu Themen wie Stadtentwicklung, Soziologie. Immer wieder befasst sie sich auch mit privaten Baugemeinschaften, Bau-Gruppen oder Kleinstgenossenschaften. Ich fragte, was sie von unserem "Erfolg" halten würde. Sie freute sich noch mal mit. Für weniger Autos im eigenen Viertel zu sorgen, ist ein stadtpolitisch sinnvolles Ziel. Und es ist ein typisches Ziel für eine Baugemeinschaft, wie es die unsere war und ist. Andere Gruppen setzen sich ein für generationengemischte Gemeinschaften, eine Erhöhung der Umweltstandards in Gebäuden und deren Umfeld, und vieles mehr, oder wie Ingrid Breckner es zusammenfasste: "Selbst organisierte Baugruppen sind oft Innovationstreiber in der Stadtentwicklung."
Die Soziologin warnt vor einer Überforderung von uns Laien
Und was heißt das dann für die Stadtpolitik? Sollte einfach auf jedes städtische Grundstück eine Baugemeinschaft oder Kleinstgenossenschaft gepackt werden. Nach dem Motto: Was die Politik nicht schafft, das kämpfen engagierte Büger erst mal durch?
Ingrid Breckners Antwort war klar und in einem Telefonat mit ihr wiederholte sie sie vor zwei Wochen noch mal neu: "Zu sagen, wir pflanzen jetzt auf jede Parzelle eine Baugemeinschaft, und die soll sich bitteschön möglichst um alle Probleme vor Ort kümmern: Leerstand in Gewerbeflächen, fehlende Grünflächen, keine öffentliche Toiletten, und so weiter; das ist eine Instrumentalisierung und eine Überforderung. Baugemeinschaften sind keine Quartiersinstitutionen, sondern letztlich ein freiwilliger Zusammenschluss von Privatleuten, die ein mehr oder weniger ausbuchstabiertes gemeinsames Lebensziel verfolgen."
Also liebe Selbstbauerinnen und Selbstbauer: Passt auf, wo und wie Ihr Euch überfordert. Holt Euch früh Hilfe und lasst Euch beraten. In Hamburg gibt es die Agentur für Baugemeinschaften - mittlerweile sogar mit einem Videostream. Nicht nur für Hamgurger:innen echt hilfreich.
PS: Da ich in Hamburg lebe, erzählte ich zur Zeit viel aus meiner Heimatstadt. Doch im April geht es in der neuen Folge unserer Rubrik nach NRW - nach Krefeld. Und hier im Blog in den nächsten Wochen dann viel um Nachbarschaft.