Gibt es ein Gegenmittel gegen rechts?
AfD-Delegierte am 14.6.2025 beim Landesparteitag in Idar-Oberstein. Beim Parteitag stellt die AfD ihre Liste für die Landtagswahlen auf.
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Kampf gegen Rechts
Öffentliche Beschämung bringt nichts
Camouflage – Einschüchterung – Opfergejammer: das ist die Technik der Rechtspopulisten. Gegenmittel? Fällt uns schwer. Aber es geht
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
20.06.2025
3Min

Nicht nur in Deutschland erzielen reaktionäre Kräfte viele Erfolge. Das verunsichert die Freunde der offenen Gesellschaft. Offenkundig haben sie das eine wirksame Gegenmittel noch nicht gefunden. Aber das heißt nicht, dass sie wehrlos wären. Für mich sind folgende Grundgedanken wichtig geworden.

Zunächst muss man verstehen, wie die Hartrechten arbeiten. Immer wieder wenden sie drei Methoden an: Camouflage – Einschüchterung – Opfergejammer. Da krasse Demokratiefeindlichkeit immer noch verpönt ist und auch offener Rassismus oder Antisemitismus nicht überall so gern gesehen werden, pflegen viele Rechtspopulisten und Neue Rechte sich als Konservative zu verkleiden. Sie tarnen ihre Absichten, schreiben unter Pseudonym und lügen ohne Scham.

Werden sie darauf angesprochen, versuchen sie es mit juristischen Drohungen und kommunikativer Gewalt. Werden ihre Lügen öffentlich, beklagen sie sich schließlich jammernd über "Cancel Culture" und werben um Mitleid. Dieser Dreischritt aus Camouflage, Einschüchterung und Opfergejammer ist allerdings nichts, was nur für Hartrechte spezifisch wäre. Radikale Islamisten, Sektengurus sowie gewöhnliche Hochstapler und Betrüger agieren genauso.

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Für diejenigen, die sich gegen rechts engagieren, bedeutet das, dass sie misstrauisch sein sollten und genau nachrecherchieren müssen. Natürlich will man so eigentlich nicht mit politischen Gegnern umgehen. Es ist nicht sympathisch, beim Gegenüber immer sogleich eine Lüge zu wittern. Leicht wird man dabei selbst zum Verschwörungstheoretiker. Da Camouflage aber eines der wichtigsten Instrumente der Hartrechten ist, muss man eben besonders wachsam sein. Zudem sollte man standhaft bleiben und sich von der aggressiv-passiven Kommunikation dieser Gegner nicht verwirren lassen: Ihre Drohungen bleiben oft hohl.

Aber Vorsicht, es gibt Formen des Engagements gegen rechts, die das Gegenteil dessen bewirken, was beabsichtigt war. Das gilt besonders für öffentliche Beschämungen. So berechtigt es auch erscheinen mag, wie sehr es einen vielleicht lockt, einen Hartrechten bloßzustellen oder gar sich über ihn lustig zu machen, so löst dies doch allzu häufig Solidarisierungen aus (man kennt das aus der Popularkultur: der "Rammstein-Effekt"). Wenn Vertreter einer großstädtisch-intellektuellen Elite über hartrechte Politiker herziehen, weil diese sich auf provinzielle, ungebildete, dumpfe Weise geäußert oder ein problematisches Vorleben haben, schadet es diesen nicht. Im Gegenteil, es bringt ihnen Sympathien ein. Dies scheint ein Grund für den Sieg des hartrechten Kandidaten für das polnische Präsidentenamt gewesen zu sein. Nicht zuletzt wegen dieser Dynamik läuft es in Deutschland für die AfD so gut. In den USA dürften die liberalen Late-Night-Hosts und Comedians (die ich nach Feierabend gern mal schaue) mit ihrem Spott Trump deutlich mehr nützen als zu schaden.

Was bedeutet das für das Engagement gegen rechts? Die Lügen der anderen Seite müssen präzise entlarvt, ihre wahren Absichten offengelegt werden. Auf persönliche Beschämungen sollte man, so weit wie möglich, verzichten. Stattdessen sollte man die konkrete Politik der Hartrechten zur Diskussion stellen. Was sie tun oder planen, ist wichtiger als das, was sie sagen und schreiben (das gilt für alle Politiker). Zudem sollte man sich nicht provozieren lassen und nicht über jedes verbale Empörungsstöckchen hüpfen, das Hartrechte einem hinhalten.

Schließlich sollte man einen klaren Kopf behalten. Die Gefahr von rechts ist real. Aber Extremisten haben keine Ideen und keine Kompetenzen für eine sinnvolle Politik, die tatsächliche Verbesserungen erzielt. Auf Letzteres aber sollten die Freunde der offenen Gesellschaft sich fokussieren. Dazu gehört, dass sie sich die Souveränität bewahren, das eigene Handeln und Reden kritisch zu bedenken, und dass sie sich nicht die Zuversicht rauben lassen. Ein gutes, demokratisches Zusammenleben ist in Deutschland weiterhin möglich.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur