Pope Leo XIV, Robert Prevost
Der neu gewählte Papst Leo XIV. auf der Hauptloggia des Petersdoms
Alberto Pizzoli/AFP via Getty Images
Neuer Papst Leo XIV.
In der Welt zuhause
Der polyglotte US-Amerikaner Kardinal Robert Francis Prevost ist neuer Papst. Welche Aufgaben kommen auf ihn zu und was bedeutet seine Wahl?
Portrait Eduard KoppLena Uphoff
09.05.2025
4Min

Die Überraschung ist gelungen. Zum ersten Mal in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche ist ein Amerikaner Papst. Nach anderthalb Tagen des Konklaves hieß es am 8. Mai 2025 um 19.13 Uhr vom Balkon des Petersdoms in Rom: "Habemus papam - Wir haben einen Papst". In geheimer Abstimmung hatten sich die 133 wahlberechtigten Kardinäle auf Robert Francis Prevost geeinigt. Er wird sich Leo XIV. nennen.

Geboren 1955 in Chicago, trat er 22-jährig dem Augustinerorden bei - wie Franziskaner und Kapuziner ein Armutsorden -, verbrachte einige Studienjahre in Rom, wurde von seinem Orden (dem schon der Reformator Martin Luther angehörte) in die Mission nach Peru gesandt. Und hier beginnt seine polyglotte Prägung. Im Dreieck USA, Peru und Rom durchlief er zahlreiche Leitungsaufgaben der Kirche, mal als Chef seines Ordens, als Bischof in Peru, zuletzt, seit 2023, als Leiter der Vatikanbehörde für Bischöfe, einer Art Personalabteilung des Vatikans. Diese letztere Aufgabe ist mit vielen eigenen Reisen und mit vielen Bischofsbesuchen aus aller Welt im Vatikan verbunden.

Seine Fähigkeit zu klaren Analysen mag auch damit zusammenhängen, dass er auch einmal Mathematik studiert hat. Er gilt als diplomatisch gewandt, zugleich pragmatisch, wird wegen seiner ausgleichenden Art geschätzt bei reformfreudigen wie konservativen Kirchenvertretern. Seine bisherigen zwei Pässe, den peruanischen und den US-amerikanischen, wird er nun wohl eintauschen gegen den Vatikanpass. Als Augustiner, deren Ordenssymbol ein brennendes Herz zeigt, sagt er von sich selbst: "Ich war mein ganzes Leben Missionar."

Es gab politische Zeiten, in denen die Wahl eines Papstes einfacher gewesen sein dürfte. Aber dieses Wahlergebnis hat seine Logik. Ohne den Weg seines Vorgängers zu verlassen, wird der neue Papst ein höheres Maß an diplomatischem Geschick aufbieten können. Denn seit Jahren zeichnet sich ab: Das "moralische Gewissen" der Welt, als der der Papst weithin verstanden wird, begegnet einer besonders großen Zahl an Herausforderungen: Kriegen, schamloser Machtpolitik, Verletzungen der Menschenrechte, unterlassene humanitäre Hilfe, Flüchtlingsströme, dreistester Verdrehung von Daten und Fakten - daneben erheblicher Unruhe in den eigenen Kirchenreihen, zum Beispiel bei der Forderung nach echter Mitbestimmung im Kirchenvolk, von den Debakeln bei der Aufklärung von Missbrauch ganz zu schweigen.

Wer sollte angesichts dieser unruhigen Lage der bestmögliche Pontifex, wörtlich: "Brückenbauer", sein? Ein kluger Diplomat, ein nervender Prophet, ein feinsinniger Denker, ein Seelsorger, ein Mann des römischen Apparats? Irgendwie ist der neue Papst eine gute Mischung aus allem.

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So groß auch das Interesse an den Prioritäten bei der Papstwahl auch sein mochte: Von außen zu besichtigen war für das Kirchenvolk lediglich eine Fassade - eine grandiose ohne Zweifel. Es gibt einen merkwürdigen Widerspruch zwischen der öffentlicher Aufmerksamkeit und den Geheimnissen der Akteure. Die Kardinäle versuchen ausdrücklich nicht den Eindruck zu erwecken, sie nähmen ihr "Kirchenvolk" mit in den Entscheidungsprozess, der doch letztlich für sie alle relevant ist, für knapp 1,4 Milliarden Katholiken.

So blieben vor und während des Konklaves allenfalls vage Vermutungen über geeignete Papstkandidaten: Er solle, wie der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper (92) im deutschen Fernsehen sagte, eher ein Mann des Ausgleichs sein. Will sagen: einer, der weder für moralischen Rigorismus steht (Stichworte: Abtreibung, Diversität) noch für westliches Wohlstandsdenken oder für überzogenen, traditionellen Patriarchalismus (Stichwort Frauenrechte), einer, der weder als Vertuscher beim Thema Missbrauch besonders unangenehm aufgefallen ist noch als dogmatischer Besserwisser. So gesehen, haben die Kardinäle bei der Papstwahl einen guten Kompromiss aus allem gefunden.

Die Herausforderungen, vor denen die katholische Kirche steht, beruhen zum Teil auf ihrer eigenen Struktur, zum größeren Teil jedoch auf den Herausforderungen, die alle Welt angehen: dem russische Angriffskrieg in der Ukraine, dem Terrorismus und Krieg in Israel/Gaza, dem Krieg in Indien/Pakistan. Mächtige dieser Welt haben die politische Kultur mit ihren Reden und ihrem Verhalten schwer beschädigt. Allzu zarte diplomatische Proteste gegen die Machtpolitik in Moskau, Peking, Istanbul oder Washington werden dagegen wenig ausrichten.

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Das "moralische Gewissen", als das der Papst weithin gilt, soll vernehmbarer werden als in jüngster Zeit. Zum Ukrainekrieg hatte sich der verstorbene Papst Franziskus nur wenig öffentlich eingelassen - aber diesen Mangel teilt er mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen. Das Vermittlungsangebot von Papst Franziskus im Ukrainekrieg ging ins Leere. Die Erwartungen an den zukünftigen Papst sind hier hoch - innerhalb wie außerhalb der römisch-katholischen Kirche.

Die Katholiken in Deutschland werden sich vermutlich weiter in Geduld üben müssen, was ihren "synodalen Weg", also die Mitwirkungsrechte in ethischen und institutionellen Fragen - auch im Widerspruch zum Vatikan - angeht. Was in Deutschland für viele als zentrales Thema gesehen wird, zum Beispiel die Frauenordination, hat aus der Perspektive eines US-Amerikaners einen anderen Stellenwert. Im Vergleich zur katholischen Kirche der USA mit ihren immensen Spaltungen und Grabenkämpfen - moralisch, theologisch wie auch parteipolitisch - sind die Zerwürfnisse im deutschen Katholizismus gering. Geradezu beschwichtigend klingt der Satz von Prevost vor seiner Wahl: "Ich habe Einblicke in die amerikanische Kirche." Das klingt so wie: Mich kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen.

Dass der neue Papst mutig genug ist, den Mächtigen der Welt die Stirn zu bieten, darf man bei dem neuen Pontifex getrost vermuten. Ob er alles sagen wird, was man sagen kann, steht auf einem anderen Blatt.

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