Konklave
Welchen Papst wünschen sich die Protestanten?
In Rom wird ein neuer Papst gewählt. Was bedeutet diese Wahl für die Protestanten? Christian Kopp, Landesbischof und Ökumene-Beauftragter der EKD, hat Antworten
Welchen Papst wünschen sich die Protestanten?
In der Sixtinischen Kapelle wählen die Kardinäle den neuen Papst
Getty Images
Lena Uphoff
07.05.2025
4Min

chrismon: Haben Sie den verstorbenen Papst persönlich getroffen?

Christian Kopp: Nur als Pilger. So wie viele Millionen andere auf dem Petersplatz.

Was ist sein Erbe?

Sein Name. Der erste Papst, der sich Franziskus nennt – und das mit dem Lukasevangelium begründet, mit dem Einsatz für die Armen, der auf Jesus zurückgeht. Das bleibt. Franziskus hat gesagt: Dort steht die Kirche, an der Seite derer, die keine anderen Fürsprecher haben.

© epd-bild/Susanne Schröder

Christian Kopp

Christian Kopp ist seit November 2023 Landesbischof der bayerischen Landeskirche. Im Jahr 2024 wurde er zusätzlich zum Beauftragten für Ökumene der Evangelischen Kirche in Deutschland berufen.

Am 7. Mai beginnt das Konklave. Sollte ich mich als Protestant dafür interessieren, wer der neue Papst wird?

Die katholische Kirche ist für uns wichtig. Ich komme aus Bayern. Da ist es selbstverständlich, dass man das christliche Leben gemeinsam gestaltet. Entweder wir leben als Christen in Deutschland zusammen, oder das Christentum wird vielerorts noch mehr verschwinden. Denken Sie an den Osten Deutschlands: Dort gibt es Regionen, in denen so wenige Christen leben, dass nur noch Spuren kirchlichen Lebens erkennbar sind. Wir brauchen ein starkes Miteinander, einen Papst, der zur Einheit aufruft. Auch in aller Verschiedenheit. Beim Abschied von Papst Franziskus wurde deutlich, wie sehr es diese eine Stimme für die weltweite Christenheit braucht. Einen Mahner, der Politikern und auch Wirtschaftsführern dank seiner weltumspannenden Autorität auf Augenhöhe sagen kann: Hier ist die Grenze. Außerdem brauchen wir ein starkes, gutes Miteinander. Wir brauchen einen Papst, der sagt, sucht das Gemeinsame, zwar in der Verschiedenheit, ja, aber das Gemeinsame!

Aber war der verstorbene Franziskus nicht gerade in diesem Punkt auch schwach?

Ich glaube, dass wir in Deutschland oft einen recht eingeschränkten Blick haben. Der deutsche Katholizismus ist in vielen Fragen sehr fortschrittlich. Etwa beim Thema Synodalität. Hier sind die Deutschen weltweit ein Stück katholische Vordenker. Aber im größeren Maßstab betrachtet war das, was Papst Franziskus zur Synodalität beigetragen hat, wirklich beeindruckend. Alle dachten, nach der Weltsynode werden die Beschlüsse in den vatikanischen Gremien abgeschliffen, bis wenig übrigbleibt. Doch dann erklärte Franziskus, dass er die Beschlüsse nicht durch ein eigenes Schreiben begleiten wird. Im Weltmaßstab war das eine kleine Revolution.

Was bedeutet Ökumene für Sie?

Die Welt als eine Welt Gottes wahrzunehmen. Mit vielen unterschiedlichen Formen, den Glauben zu leben. Ökumene bedeutet, dass diese unterschiedlichen Arten, an der Welt Gottes zu arbeiten, im Dialog miteinander stehen. Das ist mir ein Herzensanliegen.

Wer war Papst Franziskus? Lesen Sie unseren Nachruf

Was ist das drängendste Thema in der evangelisch-katholischen Ökumene?

Im Moment arbeiten wir gar nicht so intensiv miteinander, weil beide Konfessionen stark mit sich selbst beschäftigt sind. Wir Protestanten stecken in fordernden Transformationsprozessen, die katholische Kirche ist stark mit dem Thema Partizipation beschäftigt.

Aber gibt es nicht auch gemeinsame Themen?

Das größte gemeinsame Thema ist sicherlich der massive Rückgang kirchlicher Mitgliederzahlen; die "Verdunstung" des Christlichen. Und die Frage: Was können wir dagegen tun? Wir haben gemeinsam eine Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung durchgeführt, in der klar wurde: Die konfessionellen Unterschiede interessieren viele Menschen kaum. Sie fragen: Was bringt mir die Kirche persönlich und gesellschaftlich?

Sie haben gesagt, dass der Papst als weltweit gehörte christliche Stimme wichtig ist. Hatten Sie das Gefühl, dass der Papst auch für Sie spricht?

Ich bin nicht der Meinung, dass diese weltweite Stimme nur der Bischof von Rom sein kann. Es gibt den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem die katholische Kirche zwar nur assoziiert angehört – aber auch von dort wird für viele Christen weltweit gesprochen. Dennoch: Beim Papstbegräbnis hat man gesehen, was für eine mediale und politische Wucht diese Stimme entfalten kann.

Haben Sie Sehnsucht nach einem evangelischen Papst?

Nein. Ich finde die Sprecherrolle des Moderators im ÖRK als weltweite Stimme der Christenheit sehr gut geeignet. Wir Protestanten brauchen keinen Papst. Die Arbeit im ÖRK ist eine kluge Form, Vielfalt zu organisieren. Leider findet die gute Arbeit des ÖRK nur wenig öffentliche Beachtung.

Wie ist das als Bischof einer lutherischen Kirche – Luther hat den Papst ja nicht gerade freundlich beschrieben. Spielt das heute noch eine Rolle?

Es kommt auf die Perspektive an. Einerseits bin ich überzeugt: Wir können als Christen mehr erreichen, wenn wir gemeinsam handeln. Andererseits muss sich die katholische Kirche aus meiner evangelischen Sicht heraus bei vielen Themen verändern. Ein Beispiel: Ein katholischer Kollege fragte mich kürzlich, ob ich Rechenschaft vor meiner Landessynode ablegen müsse. Ich sagte: Ja, und das ist auch gut so. Und er sagte: Gott sei Dank muss ich das nicht. Das zeigt: Aus protestantischer Sicht wirkt die Macht einzelner katholischer Bischöfe doch erstaunlich groß.

Sind Luthers Aussagen heute bedeutungslos?

Einige Punkte bleiben aktuell: Wer entscheidet, wer eine Gemeinde leitet? Ein Bischof oder auch die Gemeinde selbst? Aber die Aussagen Luthers müssen immer im historischen Kontext gesehen werden. Heute geht es nicht mehr um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. Wie tragen wir gemeinsam das Evangelium in die Welt?

Die katholische Kirche hat Protestanten nie als eigene Kirche anerkannt. Spielt das noch eine Rolle?

Für die katholische Kirche sind wir nur eine Bewegung, ja. Das schmerzt immer wieder. Das wird sich vermutlich auch so schnell nicht ändern. Ich wünsche mir einen Papst, der den Kurs von Franziskus fortführt, der klar sagt, dass der Platz der Kirche bei den Schwachen ist. Und ich wünsche mir einen, der versteht, wie wichtig das Miteinander in der Ökumene und im interreligiösen Dialog ist und welche verbindende Rolle er dabei spielen kann.

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