Die Kirchen sind eine wichtige Stimme in der Migrationsdebatte. Das erwarten sie von sich selbst und das erwarten andere von ihr. Die sechste, 2022 erstmals ökumenische Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeigt: 80 Prozent der katholischen und 77 Prozent der evangelischen Mitglieder erwarten von der Kirche, dass sie sich für Geflüchtete einsetzt. Fast drei Viertel der Konfessionslosen teilen diese Erwartung auch.
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Migration gehört zur Geschichte und Gegenwart beider Kirchen. In der Kirche engagieren sich viele Menschen, die als Spätaussiedler nach Deutschland kamen oder deren Familien einen Vertreibungshintergrund haben. Allein unter den evangelischen Kirchenmitgliedern in Bayern haben 12,5 Prozent selbst, weitere 7,5 Prozent in ihrer Familie Erfahrungen mit Migration gemacht. Berücksichtigt man, dass im Jahr 1945 mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung von Vertreibung betroffen war, wird die prägende Wirkung von Migrationserfahrungen noch deutlicher. Zahlreiche Gemeinden entstanden erst in der frühen Nachkriegszeit durch den Zustrom Vertriebener.
Migrationsgeschichten formen Frömmigkeit – über Generationen hinweg. Vor diesem Hintergrund ist Psalm 23 für viele ein Herzenspsalm. Der Vers "Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde" greift altorientalische Vorstellungen von Schutz und Gastfreundschaft auf – und spiegelt zugleich die existenzielle Suche nach Heimat. Wie Migration kirchlich wahrgenommen und gedeutet wird, ist wesentlich durch biografische und theologische Prägung beeinflusst.
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