Surfen auf Rügen
Auf dem Wasser sind alle gleich
An den Stränden der Insel Rügen surfen Touristen, aber kaum Einheimische. Eine Wassersportschule ganz im Norden will den Ausgleich schaffen: Sie bietet eine Woche Surffreizeit – nur für Inselkinder
Lilli holt mit der Aufholleine das Segel aus dem Wasser
Mit der Aufholleine zieht Lilli das Segel aus dem Wasser – jetzt wird es spannend
Verena Brüning
Anke LübbertPR
03.07.2025
12Min

Vor wenigen Tagen haben die großen Ferien begonnen. Der Sommer ist noch lang und vielversprechend, die Schule für ein paar Wochen nur eine unscharfe Erinnerung. 35 Kinder zwischen 11 und 18 Jahren starten heute in ihr Surfcamp: sieben Tage ohne Eltern, sieben Tage mit täglich zwei Unterrichtseinheiten im Windsurfen. Sieben Abende mit Rallye und Lagerfeuer und (fast) ohne Handys. Einige kennen sich schon, viele treffen heute das erste Mal aufeinander.

Geschrei und Platschen, Lachen und ­Rufen: Zwischen vielen anderen Kindern versucht Jana, sich auf ihrem wackeligen Brett zu halten. Ihr rotes Leibchen weist sie als ­Anfängerin aus. Nach ein paar Stürzen hat sie es schließlich geschafft: Für Sekunden hält sie das Gleichgewicht, dann fällt sie rückwärts ins Wasser, die Augen weit aufgerissen.

Ben ist 13 und so dünn, dass er sich ­ohne Probleme in den engen Neoprenanzug ­quetschen kann. Er kann schon ein bisschen ­surfen, trotzdem ist er aufgeregt und reißt ­einen Witz nach dem anderen. Jehor hört nicht zu. ­Alleine sitzt er im Schatten unter einem niedrigen Baum und wirkt so, als ­würden die anderen ihn gar nicht interessieren. Reglos schaut er auf das Schilf.

Beim Surfen Grenzen überwinden

Der 15-jährige Jehor ist schon zum dritten Mal dabei. In der Ukraine war er ­Jugendmeister im Standardtanz, auf Rügen hat er keine Tanzschule gefunden. Vielleicht tanzt er darum so virtuos mit seinem Brett auf dem Wasser, er surft schon im zweiten Jahr bei den Besten mit. Aber einen Freund hat er hier nicht. Er sagt, dass er es nicht so leicht findet, neue ­Leute kennenzulernen. 2022 ist er mit ­seiner ­Mutter und der Zwillingsschwester, die auch am Camp teilnimmt, aus der Ukraine ­geflüchtet. Im März kamen sie an, drei ­Monate später, im Juli, standen sie das erste Mal hier auf den Brettern.

Während Jana, Ben, Jehor und die andern mit ihren Segeln und Brettern im Wasser sind, sitzt Sarah Miron an einem Tisch vor der Surfschule und sortiert Belege. Sie hat das Camp organisiert und ist angespannt. Ob ­alles gutgeht? Wird funktionieren, was sie hier vorhat? Ein Surfcamp als Instrument, um Unterschiede abzubauen, unsichtbare Grenzen zu überwinden? Grenzen zwischen Kindern, deren Eltern Staatsanwälte oder Lehrer sind, und denen aus Rotensee, einem Plattenbauviertel in Rügens Hauptort Bergen, wo auch Ben wohnt.

Gemeinsam geht es besser: Die Surfbretter sind schwer

"Manchmal habe ich Zweifel, ob wir die Richtigen erreichen", sagt Sarah Miron. Sie hat das Camp überall beworben, in den Stadtanzeigern, in allen Schulen. "Wenn wir nicht ganz gezielt einzelne Kinder ansprechen, mit den Eltern in den Kontakt gehen, immer ­wieder nachfragen, dann kommen am Ende doch nur die zum Surfcamp, die nach der ­einen Woche noch mal drei Wochen Urlaub mit den Eltern machen." Und das liegt nicht am Geld, denn ihr Camp wird gefördert. Aber für Kinder, deren Eltern morgens nicht aus dem Bett kommen, sei ein Surfcamp einfach kein attraktives Angebot. Weil sie wüssten, dass ohne sie die jüngeren Geschwister nicht in die Kita gehen werden.

"Mein Mann und ich haben Glück im ­Leben gehabt", sagt Sarah Miron, "ich ­möchte gern etwas davon weitergeben. Es macht mich glücklich, wenn ich dazu beitragen kann, ­andere glücklich zu machen. Und das geht am besten mit den Sachen, die ich kann und die mir Spaß machen. Also mit Sport." An der ­Regionalen Schule, wo ihr Mann Schulleiter ist, organisieren die beiden die Hälfte des Nachmittagsprogramms selbst. Und Wassersport ist für sie so etwas wie ihr persönlicher Hebel, einen kleinen Ausgleich zu schaffen.

Identität, Coolness, Lässigkeit

Auf Brettern in den Wellen reiten, kiten, ­surfen: Das sind Sportarten, die Jugendlichen Identität, Coolness und Lässigkeit bieten in den komplizierten Jahren zwischen Grundschule und Führerschein. Zugehörigkeit, eine Alternative zu Rechtsrock, Drogen und ­Alkohol an der Bushaltestelle. Aber auf Rügen ist Surfen nur was für Touristen. Dabei gibt es auf der Insel um die zehn Wassersportschulen. Nur Inselkinder findet man dort nicht.

Sahra Minon fragt sich manchmal, ob ihr Mann und sie die Richtigen erreichen

Beide Mirons arbeiten als Lehrer, sie ­kommen ursprünglich aus Fulda in Hessen, wo sie erfolgreich Skifreizeiten organisiert hatten. Der Sport und das Engagement drumherum waren ihr Leben. Weil zwei ihrer vier Kinder unter schweren Allergien leiden, rieten die Ärzte zum Umzug an die Küste. "Für uns war klar: Wenn wir ans Meer ziehen, ­steigen wir voll auf Wassersport um", sagt Sarah Miron – Surfbrett statt Skier. Als die ­Familie vor acht Jahren nach Rügen kam, hörten sie sich unter ihren neuen Schülerinnen und Schülern um: Doch keiner hatte eine Verbindung zum Wassersport. Und einen Wassersportverein fanden sie erst mal gar nicht.

Irgendwann stießen die Mirons schließlich auf die Wassersportschule "Rügen Piraten" in Dranske, im Nordwesten der Insel. Sie wurde 2005 von Surflehrern aus dem Ruhrgebiet gegründet, und von Anfang an sahen sich diese "Piraten" als Teil der Dorfgemeinschaft. Sie wollten nicht "die anderen" sein und brachten Kindern und Jugendlichen aus der Umgebung kostenlos Surfen bei. Jobs in der Schule vergaben sie an Dransker, und das Sommerfest des Ortes richtet die Gemeinde seit Jahren gemeinsam mit der Surfschule aus. Dranskes Bürgermeister Lothar Kuhn sagt: "Die Wassersportschule ist eine enorme Bereicherung, wirtschaftlich, aber auch durch die ehrenamtlichen Angebote für die Kinder und Jugendlichen auf der Insel." Das Dorf braucht die Schule. Aber die Schule braucht auch das Dorf.

Schwimmen lernen bei Piraten

Prominent am Dransker Hafen liegt die ­Schule, direkt neben der Seebrücke und ­neben der "Dronte Bar", einem Bistro, in dem man während der Saison mit Blick auf den Bodden und die bunten Segel am Himmel ­essen und trinken kann. Schule und Bar bilden eine Art Doppelzentrum, das immer in den Sommermonaten lebendig wird. Dann ist die Wassersportschule von vielem ein bisschen: Jugendclub und Einkaufsladen, Gemeindezentrum und sogar Schwimmschule. Einige Kinder aus Dranske können überhaupt nur wegen der "Rügen Piraten" schwimmen: Weil die nahegelegene Schwimmhalle keine Schwimmkurse mehr angeboten hat, entstand dort 2023 eine Schwimmlerngruppe für die Inselkinder.

Theorie auf dem Trockenen: Trainer Flo coacht die Fortgeschrittenen. Polina (rechts) gleitet souverän im gelben Dress über dem Neopren. Anfänger tragen rote Shirts

Wassersport ist immer auch Lifestyle. Im Shop kann man Surfzubehör leihen und ­kaufen, Armbänder und lässige T-Shirts. Auf den Spinden, wo die Surfer ihre Klamotten einschließen, kleben Antifa-Sticker, in der Mitte des Raumes stehen ein paar Kids um den Kicker und klatschen sich nach jedem Tor ab. Abends sitzen die Piraten und ihre Gäste gemeinsam am Feuer.

Andreas Schmidt ist hier seit Jahren Surf­lehrer. Beim Surfcamp betreut er die Fortgeschrittenen. "Als Jugendlicher wollte ich Surflehrer werden, diesen Traum erfülle ich mir jetzt in den Sommerferien", sagt er. In der übrigen Zeit arbeitet er als Deutsch- und Sachkundelehrer an einer Brennpunktschule in Berlin-Neukölln. "Bei den Piraten bin ich gern Teil der Surfschul-Community. Für mich ist das ein sozialer Sport, bei dem man zusammen in der Natur unterwegs ist und Spaß hat", sagt er. "Hier bei den Piraten wird noch der ursprüngliche Surfspirit gelebt." Denn leider gehe es beim Surfen viel zu sehr darum, wer die tollste Ausrüstung hat. Segel und Bretter kosten immens viel Geld, wer vorne mitsurfen wolle, müsse immer wieder neu ins Material investieren.

Surfen für alle

"Dass wir auf die ‚Rügen Piraten‘ gestoßen sind, war ein wunderbarer Zufall", sagt Sarah Miron. "Wir hatten ganz ähnliche Ideen, ­Rügener für Wassersport zu begeistern." Sie und ihr Mann gehörten zu den ersten Mitgliedern des Vereins "tow" (touch on water), den die Piraten 2019 gründeten. Neben dem jährlichen Sommercamp für die Kinder von Rügen bietet der Verein auch Surfen mit alkohol- und drogenabhängigen Jugendlichen oder SUP-Camps für Rollifahrer an. Surfen für alle, die sonst nicht den Weg auf das Surfbrett finden würden, aus welchen Gründen auch immer.

Die Mirons haben ihren Plan durchge­zogen, alle in der Familie surfen. Zwei ihrer Töchter fahren sogar bei internationalen Wettkämpfen mit, beim Camp in Dranske unterrichtet die älteste als Surflehrerin die Jüngeren. Die beiden mittleren Miron-Kinder surfen im Camp bei den Fortgeschrittenen – wie Jehor aus der Ukraine.

Nach und nach kommen die Kinder aus dem Wasser. Die 13-jährige Jana schüttelt sich das Wasser aus den Haaren, bevor sie das rote Leibchen auszieht. "Ich habe safe zehn Kilo abgenommen", sagt sie, "das war so anstrengend." Beim Mittagessen, Bratwurst im Brötchen mit Senf und Ketchup, sitzt sie ziemlich still zwischen zwei anderen Mädchen. Sowieso ist die Stimmung noch verhalten. Erster Tag Surfcamp, das heißt auch: große Unsicherheit, notdürftig hinter cooler Fassade versteckt. ­Taxierende Blicke in Richtung der anderen. Gemeinsam angereiste Freunde stehen in Zweier- oder Dreiergruppen. Und selbst die sonst ganz Lauten halten sich zurück.

Auch Wasser pur macht Spaß: Synchronsprung nach dem Surfen

Nach dem Mittag geht es zurück in das kühle, brackige Boddenwasser. Der Wieker Bodden ist flach, ein Stehrevier und dadurch bestens zum Surfen geeignet. Die vier Surf­lehrer stehen, Wasser bis zum Bauch, wie Leuchttürme zwischen den Kindern auf ­ihren Brettern. Überall spritzt Wasser, immer ­wieder verliert jemand das Gleichgewicht.

Ganz im Norden und weitab

Hier oben ist die Insel quasi zu Ende. Hinter Dranske kommt nur noch der Nationalpark. Von den 4000 Einwohnern, die der Ort 1990 hatte, sind nur 1000 geblieben. Die strukturellen Umbrüche der letzten Jahrzehnte haben ganz Mecklenburg-Vorpommern verändert, hier sind sie besonders spürbar. Kleine Läden und Postfilialen, Jugend- und Gemeindezentren, Buslinien, Schwimmbäder, Kitas, Grundschulen, Sportvereine wurden geschlossen oder zusammengelegt. Alles hier wirkt weitab: Der Schulbus zum Gymnasium nach Bergen braucht jeden Morgen fast zwei Stunden. Von allen Orten auf Rügen bekommt Dranske vielleicht am wenigsten ab vom großen Kuchen der Tourismusindustrie. Entlang der Kreisstraße, die direkt am Ostseestrand liegt, stehen Autos dicht an dicht, parken sogar halb im Kiefernwald oder im Parkverbot. Nur in Dranske findet man auch mitten in den ­Sommerferien noch problemlos einen freien Parkplatz. Als die Kinder am ersten Abend durch den Ort laufen, ist außer ihnen kaum jemand auf der Straße unterwegs.

Nach dem Abendessen bekommen alle, die wollen, für eine halbe Stunde ihre ­Handys, danach werden die Geräte wieder ­eingesammelt. Sarah Miron begleitet die kleineren Kinder ins Bett, tröstet, hört zu, ermahnt, das Licht auszumachen. Dann lässt sie sich neben Andreas Schmidt auf ein kleines Sofa im Flur der Herberge fallen: "Wir warten, bis alle schlafen", sagt sie.

Vom Einzelgänger zum Vorbild

Vier Tage später ist die verhaltene Stimmung vom Beginn verflogen. Stühlerücken, Lachen, lautes Rufen mischen sich im Frühstücksraum in der Herberge, wo die Kinder untergebracht sind, zu einem hochfrequenten Klangteppich. Die Kinder laden sich ­Obstsalat und Marmeladenbrötchen auf ihre Teller. Jehor, der Einzelgänger vom ersten Tag, ist umgeben von einer Gruppe gleichaltriger Jungs. Bevor die über einen Witz lachen, beob­achten sie, wie Jehor reagiert. Er, der keinen kannte, ist in den letzten Tagen aufgestiegen zu einem, den alle bewundern. Auch weil er einer der besten Surfer ist. Gleich am zweiten Tag hat er es geschafft zu foilen, das heißt, auf einer Art Steg aus dem Wasser ­herausgehoben zu werden und fast ohne ­Wasserkontakt über die Wellen zu gleiten. "Ich mag Sport, in der Schule ist das mein liebstes Fach", sagt er, "für mich ist das wie ein Spaß, nicht wie Unterricht. Am Surfen mag ich das Gleiten am ­liebsten. Geschwindig­keit mag ich generell." Zu seinem Ärger hat die Vorhersage für ­heute zu wenig Wind angesagt, um gut foilen zu können. "Also ­werden wir heute wieder tricksurfen", sagt Jehor resigniert, "das mag ich nicht so."

Die Fortgeschrittenen üben ihre Tricks, eine Helitack zum Beispiel, eine Wende, bei der das Segel einmal um sich selbst gedreht wird. Die Anfänger versuchen, einen kleinen Parcours zu fahren. Sie surfen vor dem Wind, luven an, fahren eine Wende und dann ­wieder zurück zum Ausgangspunkt. Jana wird dabei vom Wind ein ganzes Stück vom Kurs abgetrieben. Auch wenn die Manöver noch nicht perfekt klappen – ungewollt ins Wasser fällt kaum noch jemand. Außer den Kindern vom Surfkurs ist auf dem Wasser die übliche Surfklientel unterwegs: junge Männer und Frauen, aber auch ganze Familien in Neoprenanzügen. Auf einem SUP paddelt ein Mann mit wehenden Hosenbeinen sich und seinen Hund über den Wieker Bodden.

Die jüngeren Mädchen chillen auf dem Trampolin. Ben (l.) und Jannek (r.) gehen mit Jonathan zum Angeln

Surflehrer Andreas Schmidt sitzt mit ­etwas Abstand auf einer Bank und beobachtet Ben und Jannek, die auf der Seebrücke stehen und angeln. Das Ziel sei nicht, Windsurfer auszubilden oder Nachwuchsförderung zu betreiben, sagt er: "Kinder wie Ben lernen hier, dass sie etwas können, was sie nie für möglich gehalten hätten."

Jehor hat Foilen gelernt. Bei Jana klappt die Wende. Ben liegt am Nachmittag bäuchlings auf seinem Brett, umgeben von einer Gruppe kichernder Anfängerinnen, und genießt die Aufmerksamkeit. Denn natürlich geht es beim Surfcamp nicht nur ums Surfen.

Eine Gruppe älterer Jungs bricht nachts aus ihren Zimmern aus und besucht die ­Mädchen in deren Räumen. Enge Freundschaften aus den letzten Jahren werden auf die Probe gestellt. In der Mittagspause fallen beim Kickern rassistische Sprüche, eine von Sarah Mirons Töchtern schreitet beherzt ein. Überm Feuer wird Stockbrot geröstet und gegessen: außen schwarze Kruste, innen roh. Grillen ­zirpen. Als der Vollmond riesengroß und orange über dem Wieker Bodden aufgeht, steht einer der Jungs verlegen mit einem ­Mädchen aus dem Nachbardorf auf der ­Brücke, Hand in Hand.

Natürlich geht es nicht nur ums Surfen

Vor der Surfschule sitzt Sarah Miron mit den anderen am Feuer. "Es funktioniert nicht ­immer so, wie man sich das vorstellt", sagt sie. Ist das hier all die Zeit wert, die sie fürs Fundraising, für Werbung, fürs Einkaufen, Organisieren, Vorbereiten aufgewendet hat? In diesem Jahr waren es 50 Stunden, noch ­bevor das Camp begann.

Zwei Mädchen aus schwierigen Familien­situationen, Schülerinnen von Sarah Miron, die sie unbedingt dabeihaben wollte, haben sich ausgeklinkt. Sie sind nach dem dritten Tag nicht mehr aufs Brett gestiegen. Seitdem sitzen sie in eine Decke gewickelt vor dem Camp, während die anderen surfen. Eine von ihnen hat gegen die Regeln ein zweites Handy mitgenommen und Energydrinks im Supermarkt gekauft. Weil das Mädchen viele andere Probleme hat, hatte Sarah Miron in der Mitte der Woche ein längeres Beratungsgespräch mit ihrem Vater und hat sie an die Familienhilfe der Insel vermittelt. Als Ben von einem anderen Jungen rabiat angerempelt wird und sich dabei das Bein verletzt, scheint er für ­einen Moment den Tränen nahe und sagt, er wolle jetzt nach Hause. Aber dann setzt er sich doch zwischen die anderen ans Feuer.

Am frühen Abend, bevor das Feuer ­angezündet wird, gibt es eine Rallye. Jana rennt mit ihren vier Freundinnen durch das Dorf, immer vorweg, sie springt und hüpft durch die leeren Straßen. "Warum seid ihr alle so entspannt, wir haben Zeitdruck!", ruft sie. "Wir müssen uns beeilen, ich möchte jetzt einfach ­gewinnen!" Ihre Freundin bleibt stehen und schaut nach oben, in den blauen Sommerhimmel, wo fünf Graugänse fliegen. "Guckt mal, wir sind genau wie die da oben!"

Ob das Camp einen kleinen Beitrag dazu leistet, gesellschaftliche Ungerechtigkeit zumindest für den Moment weniger spürbar zu machen, ist für Jana, Jehor und Ben keine Kategorie.
Ben hat am Ende des Abends den Schmerz im Bein wieder vergessen. Er hätte nach dem Feuer gern noch eine Runde Kicker gespielt, anstatt jetzt ins Bett zu müssen. Besonders ­einen Song fand er super: "Der Beat kam anders hart", sagt er.

Für Jana zählt, ob sie und ihre Freundinnen es wohl geschafft haben, die Rallye zu ge­winnen. Jehor hält sein Stockbrot über die Glut, das Gesicht warm vom Feuer angeleuchtet. "Freunde finden ist hier viel leichter als in der Schule. Deswegen mag ich das Camp auch so."
Es ist ihr Sommer. Und er hat gerade erst angefangen.

Rare, well done oder overcooked? Auch fürs Stockbrot am Lagerfeuer braucht es Übung
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