Es lag damals, ohne dass ich es hätte benennen können, fast so etwas wie Neid in der Stimme meines Großvaters, als ich ihn einmal mit meinem besten Freund besuchte.
"Bewahrt euch die Freundschaft", sagte er mit einem Blick auf uns, der länger als üblich dauerte. Was ich ungewöhnlich fand, denn mein Großvater war ein harter Mann, der nicht zur Sentimentalität neigte. Vor allem, als er nachsetzte: "Später findet man solche Freunde nicht mehr."
Er ließ mir allerdings keine Zeit darüber nachzudenken, denn er begann sofort, mich und meinen Freund zu examinieren. Geschichte vermutlich oder Biologie; ich weiß es nicht mehr. Ohne Prüfung jedenfalls lief kein Besuch bei ihm ab.
Hätte ich allerdings damals darüber nachgedacht, wäre mir dieser Satz sicher ein wenig komisch vorgekommen. Es war doch nicht schwierig, Freunde zu finden! In meinem Fall war es eher schwer, die richtige Auswahl zu treffen. Deshalb wohl sang ich die Schiller’schen Zeilen in der Ode an die Freude auch ziemlich gedankenlos mit: "Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein . . . "
Lesen Sie hier eine Ode an die Omas und Opas - und wie man ihnen danken könnte
Denn Schiller fanden wir auch mit sechzehn irgendwie cool. Vermutlich, weil das in der Schule sonst keiner tat und wir sowieso immer intellektuell und widersprüchlich daherkommen wollten. Beethoven und Iron Maiden. Schiller und Marx. Dabei verstanden wir beide noch nicht. Auch wenn wir spürten, dass da etwas Großes in dem war, was sie schrieben.
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