Fußballtrainer
Spielzeit für alle!
Ehrenamt gesucht? Christian Mausbach trainiert eine Fußballmannschaft, die aus Jungen und Alten, Männern und Frauen, Behinderten und Nicht-Behinderten besteht
Christian Mausbach, 63, Fußballtrainer beim 1. SC Gröbenzell
Christian Mausbach, 63, Fußballtrainer beim 1. SC Gröbenzell
Basti Arlt
Tim Wegner
Sebastian Arlt
16.03.2025
4Min

Möchten Sie sich ehrenamtlich engagieren? In der chrismon-Serie "Ich mach das!" erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt. Christian Mausbach trainiert im bayerischen Gröbenzell eine Fußballmannschaft, in der behinderte und nicht-behinderte Sportler und Sportlerinnen gemeinsam spielen.

chrismon: Was machen Sie?

Christian Mausbach: Ich trainiere eine inklusive, geschlechter- und altersübergreifende Fußballmannschaft und setze mich für Inklusion im Fußball ein.

Wer spielt mit?

Nahezu alle Behinderungen sind vertreten, außer Blinde und Beinamputierte. Für beide Gruppen gibt es bereits gut organisierte Angebote. Auch Gesunde machen bei uns mit: Viele Geschwisterkinder, Mitschüler und Betreuer.

Wie läuft das genau ab?

Wir sind fünf Trainer für drei Gruppen, aufgeteilt nach Alter und Leistung: Eine für die Ambitionierten, die bei den Bayerischen Inklusionsmeisterschaften und anderen Turnieren antreten. Eine für diejenigen, die sich gern in Spaßturnieren messen oder erstmal in den Leistungsbetrieb reinschnuppern möchten, und eine Gruppe, die einfach nur zum Kicken kommt.

Sind die Inklusionsmeisterschaften so etwas wie die Regionalliga?

So ähnlich. Wir haben uns aber bewusst gegen eine Liga und für Turnierbetrieb entschieden. Das liegt daran, dass es noch immer wenige Mannschaften gibt die Wege somit weit sind und die Ausflüge für Menschen mit Behinderung oft noch ein anderer Aufwand.

Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich liebe Fußball und habe vorher schon Kinder trainiert. Mein Sohn hat einen komplexen Herzfehler und spielte lange in dieser inklusiven Mannschaft. Irgendwann hörte der damalige Trainer auf. Zusammen mit einem anderen Vater bin ich zunächst für ein Jahr eingesprungen. Damals waren es zehn Spieler und Spielerinnen. Jetzt sind schon mehr als zehn Jahre vergangen und wir haben mehr als vierzig Aktive im Team.

Warum machen Sie das?

Es macht viel Spaß, und bei jedem Training bekomme ich etwas von der Mannschaft zurück. Es ist schön zu sehen, wenn Spieler trotz ihrer Einschränkungen neue Fähigkeiten entwickeln. Und ich kann der Gesellschaft etwas zurückgeben, indem ich über den Bayerischen und den Deutschen Fußballverband versuche, andere Vereine zu motivieren, ebenfalls solche Mannschaften zu gründen. Die Nachfrage ist da. 2006 waren wir 2 Mannschaften in Bayern, danach lange nur eine Handvoll. Jetzt sind es schon 40 – und längst nicht genug.

Welche besonderen Herausforderungen stellen sich beim Inklusionstraining?

In unseren Mannschaften sind unter anderem Autisten, Epileptiker, Diabetiker. Bekommt jemand einen Anfall, sind das heikle Momente. Da ist mit den körperlichen Behinderungen einfacher umzugehen: Spasmen zum Beispiel. Grundsätzlich ist Fußball aber ein einfacher Sport und wir passen ihn an die Behinderungen an. Wir holen jeden ab, wo er ist und versuchen, es zu schaffen, dass die Spieler und Spielerinnen sich weiterentwickeln. Sie brauchen Herausforderungen und Erfolgserlebnisse. Zum Beispiel sollen sie im Training den Ball auch mit dem schwachen Bein stoppen.

"Es müssen mindestens so viele Spieler mit Behinderung auf dem Feld sein wie Gesunde"

Christian Mausbach

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen?

Begeisterung für den Fußball und das Bewusstsein, dass es nicht primär um Leistung und Gewinnen geht, sondern um Teilhabe am Sport, darum, Menschen zusammenzubringen. Jeder hat das Recht, auf seinem Niveau Spielzeit zu bekommen. Und es braucht natürlich große Empathie für die Mannschaft und das Handicap der Einzelnen.

… und auch Wissen um die verschiedenen Behinderungen?

Das sind die größten Ängste und Hemmungen, die angehende Trainerinnen und Trainer beschäftigen. Aber es braucht keine ärztliche Ausbildung. Über den Fußballverband bieten wir Schulungen an. Und natürlich ist der direkte Austausch mit den Spielern und ihren Angehörigen wichtig, die uns vertraulich Infos zu ihren Besonderheiten geben. Es geht vielmehr um etwas anderes…

Um was?

Ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man das Durchhaltevermögen der Einzelnen steigern kann, ihre Resilienz, es geht um Krisenmanagement und Anpassungsfähigkeit. Bei Menschen mit Störungen aus dem Autismusspektrum geht es oft darum, wie man sie vor sich selbst schützen kann. Einer meiner Schützlinge ärgerte sich mal derart über sich selbst, dass er sich in seinem Wutanfall die Hand brach. Wir beginnen und beenden das Training daher erstmal mit der Frage: "Bedrückt euch was? Wie geht es euch?" Menschen mit Trisomie 21 wiederum sind in Turnieren hochmotiviert. Im Training kokettieren sie mit ihrer Behinderung: "Das kann ich nicht."

Lesen Sie hier, wie eine Autistin um Autonomie kämpft

Was bringt so eine inklusive Mannschaft für Gesunde Spieler?

Sie sind wichtig als Partner und "Führungsspieler", das heißt nicht, dass sie die brillierenden Liberos sind: Ihre Aufgabe ist es, die Mannschaft zu sortieren und zusammenzubringen. Wir haben einen Ethik-Kodex: Es müssen mindestens so viele Spieler mit Behinderung auf dem Feld sein wie Gesunde. Und bei einem Abstand von mehr als drei Toren nimmt die führende Mannschaft einen Spieler vom Feld – oder die andere bekommt einen dazu.

Was kann schwierig sein?

Eine gewisse Disziplin in die Mannschaft zu bringen. Erstmal Ruhe und Struktur schaffen, wichtig gerade für Autisten. Oder wenn gesunde Spieler dann doch die sozialen Kompetenzen nicht mitbringen und meinen, sich in Szene setzen oder pushen zu müssen. Sowas muss ich klar ansprechen und auch Konsequenzen ziehen.

Wie viel Zeit stecken Sie da rein?

Mittlerweile trainieren wir zwei bis drei Mal pro Woche, auch in den Ferien. Eine App hilft uns dabei zu sehen, wie viele Spieler kommen, so können wir den Trainerbedarf anpassen und auch mal pausieren. Daneben wartet natürlich noch die ganze Organisation und Öffentlichkeitsarbeit.

Welcher schöne Moment fällt Ihnen spontan ein?

Ein Spieler mit Trisomie 21 war schon seit vielen Jahren dabei, ohne je ein Tor geschossen zu haben. In einem Spiel schließlich gelang es: Aber es war ein Eigentor. Er hat es nicht realisiert und sich unbändig gefreut. Bis heute erzählt er mir begeistert davon!

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