Möchten Sie sich ehrenamtlich engagieren? In der chrismon-Serie "Ich mach das!" erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt. Zum Beispiel Laura Niemeier, die Kinder im Krankenhaus im Friedensdorf in Essen betreut.
chrismon: Was machen Sie?
Laura Niemeier: Das Friedensdorf in Oberhausen/Dinslaken holt vorübergehend Kinder aus Krisengebieten wie Afghanistan oder Angola nach Deutschland, die lebenswichtige Operationen oder Behandlungen brauchen. Ich begleite die Kinder im Krankenhaus, halte ihnen die Hand und mache den Alltag kinderfreundlicher, ich bin das Bindeglied zwischen Kind, Ärzten und Friedensdorf. Und ich koordiniere unseren Freundeskreis hier in Essen.
Wie überwinden Sie die sprachliche Hürde?
Für die wichtigsten sieben Dinge lernen die Kinder eine Zeichensprache. Daumen hoch zum Beispiel heißt lustigerweise "Ich muss Pipi". Bei vielen Kindern dauert die Genesung aber sehr lang, sodass alle im Friedensdorf erstmal etwas Deutsch lernen. Und die meisten sind sehr motiviert. Ein Mädchen bekam im Krankenhaus einen Ring geschenkt. Sie ließ nicht locker, bis sie nach ein paar Stunden sagen konnte: "Ich habe einen schönen Ring, ich bin so froh." In Fällen, in denen die Grenzen der Sprachkenntnisse erreicht sind, braucht es Zuneigung, Gestik, Mimik.
Das stelle ich mir schwierig vor!
Die Momente der Angst sind heikel. Ein Kind verweigerte seine Medikamente, ich versuchte, kindgerecht zu erklären, warum sie so wichtig sind. Meistens klappt es mit viel Reden. Auch der Klang der Stimme ist wichtig.
Wie wird man auf diese Aufgabe vorbereitet?
Mit einem Wochenendseminar im Friedensdorf. Und ich biete immer an, bei den ersten Besuchen dabei zu sein. Auch bei Unsicherheiten bin ich immer ansprechbar. Es ist sehr wichtig, dass wir miteinander über unsere Erfahrungen und Erlebnisse reden.
Welche Eigenschaften braucht man für das Ehrenamt?
Ein großes Herz für Kinder, Respekt für andere Kulturen, Verlässlichkeit, gute Kommunikation – auch gegenüber den anderen Ehrenamtlichen.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Die beste Freundin meiner Mutter hat ihre Tochter und mich oft mitgenommen, so bin ich reingewachsen. Je früher man im Leben mit etwas in Berührung kommt, desto selbstverständlicher ist es.
Warum machen Sie das so gern?
Am liebsten würde ich die Welt retten. Auf diese Weise kann ich zumindest den Kindern Trost geben. Sie sollten nicht unter den Fehlern der Erwachsenen leiden müssen.
"Sie musste unsägliche Schmerzen haben. Aber sie war tapfer und hielt ohne Mucks meine Hand."
Laura Niemeier
Was war eine besonders schöne Erfahrung?
Ein Mädchen wurde wegen starken Verbrennungen am Bein behandelt. Als die Ärzte den Verband abgenommen haben, kamen mir die Tränen, man konnte kaum die Form des Beins erkennen. Sie musste unsägliche Schmerzen haben. Aber sie war tapfer und hielt ohne Mucks meine Hand. Anfangs war sie sehr zurückgezogen. Dann ich konnte jeden Tag sehen, wie es ihr besser ging. Manchmal hörte ich schon im Flur, dass sie im Bett laut sang, und wusste: Heute ist es mit den Schmerzen wieder besser. Der erste große Erfolg war, dass sie mit Stütze wieder gehen lernte. Einige Zeit später habe ich sie im Friedensdorf besucht. Sie lief mir überglücklich entgegen: "Guck mal, ich kann wieder laufen, jeder Schmerz war es wert!"
Wie oft besuchen Sie die Kinder?
Wenn ein Kind im Krankenhaus ist, soll es jeden Tag so viel Begleitung wie möglich bekommen, vor allem bei den Behandlungen. Deswegen teilen wir uns auf. Manche können in der Woche ein bis zwei Stunden. Ich versuche die Lücken zu füllen, in denen andere nicht können, das geht gut, weil ich neben meinem Job noch keine Kinder habe. Wenn ein Kind bei uns in Essen ist, bin ich zehn bis zwölf Stunden pro Woche im Einsatz. Der Behandlungsplan kann sich ändern, da müssen wir uns anpassen.
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Was kann herausfordernd sein?
Wir sind eigentlich immer auf der Suche nach Verstärkung. Denn die Krankenhäuser haben Personalmangel und oft keine Kinderstationen. Aufgaben, wie die Kleinen bettfertig zu machen, können sie oft nicht übernehmen. Dass für solche Situationen Begleitung dabei ist, ist oft Bedingung für eine Aufnahme. Wir wollen die Belegschaft entlasten, damit wir weiter Freibetten bekommen.
Mit was hatten Sie nicht gerechnet, als Sie angefangen haben?
Nach der Schule habe ich ein Praktikum im Friedensdorf gemacht und kannte daher schon viele Kinder. Aber im Krankenhaus können sie ganz anders sein. Dort war das Kind selbstbewusst, hier weint es viel. Auch meine Rolle zwischen Ärzten und Kindern hat mich überrascht. Ich bin ja selbst Laiin und muss erstmal verstehen, was die Ärzte erklären. Nicht zuletzt: Pläne sind dazu da, um umgeworfen zu werden. Die Bedürfnisse der Kinder können sich über Nacht ändern. Was sie sich gestern gewünscht haben, kann heute uninteressant sein.
Da ist Flexibilität gefragt!
Ja. Viele denken auch: Viel Spielzeug mitzubringen, ist toll! Aber diese Kinder kann man nicht mit deutschen vergleichen. Sie besitzen zu Hause fast nichts und sind nicht so materialistisch geprägt. Für sie ist das eher eine Reizüberflutung. Sie freuen sich über Zuwendung oder auch Obst: Das wird im Krankenhaus erstaunlicherweise kaum serviert.
Wissen Sie, wie es mit den Kindern weitergeht?
Wenn sie gesund, beziehungsweise stabil, sind, kehren sie zu ihren Familien zurück. Dann habe ich keinen Kontakt mehr. Aber sie bleiben oft mit den Teams vom Friedensdorf in Kontakt, die immer wieder in die Heimat der Kinder reisen. Und die berichten uns, was sie von den Kindern erfahren.
Was haben Sie für sich aus diesem Ehrenamt gelernt?
Wie gut wir es haben. Gerade über die Krankenhaussituation wird oft gemeckert. Aber wir können wegen jedes Wehwehchens zum Arzt gehen. Ich habe durch das Ehrenamt eine große Dankbarkeit gelernt, dass ich in diesem Land mit all diesem Luxus leben darf!
Friedensdorf International
Das Friedensdorf International wurde 1967 von einer Gruppe Engagierter gegründet, darunter der evangelische Pfarrer Fritz Berghaus. Ziel war es, verwundete Kinder aus dem Sechstagekrieg zwischen Israel und den arabischen Ländern zu versorgen. Als der Krieg nach kurzer Zeit vorbei war, konzentrierte sich die Organisation auf versehrte Kinder aus Vietnam. In den 1980er Jahren kamen Afghanistan, später Georgien und Angola dazu. In vielen Ländern betreibt die Organisation Basisgesundheitsstationen, um die medizinische Versorgung vor Ort zu verbessern. Das Friedensdorf finanziert sich über Spenden.