Kind mit Vater am Strand, mit Steinen in der Hand
Meist braucht es gar nicht so viel - zum Beispiel am See ein paar Steine sammeln
Ana Rocio Garcia Franco/Getty Images
Spielzeug
Pädagogisch wertvoll?
Manchmal wundere ich mich darüber, wie viele Spielsachen andere Kinder haben. Unser Sohn spielt bislang vor allem mit Dingen, die für ganz andere Zwecke gedacht sind
Tim Wegener
22.08.2024
3Min

Unser Sohn ist jetzt fast anderthalb Jahre alt, läuft stolz durch die Gegend, klettert auf Stühle und in Kisten, versteckt sich in Schränken und räumt Schubladen aus.

Die Liste seiner liebsten Spielsachen: Türen (zuknallen lassen), Kapseln und Deckel aller Art (in kindgerechter Größe, ohne Verschluckungsgefahr!), Lampen (zigmal ein- und ausschalten), Schuhe (aus dem Regal ziehen und durch die Wohnung tragen)... und Bälle.

Okay, immerhin Letzteres fällt vielleicht auch offiziell und landläufig unter den Begriff "Spielsachen". Aber ansonsten ist der Kreativität keine Grenze gesetzt. Er findet und zweckentfremdet so viel und so schnell, dass wir Eltern extrem gut darin geworden sind, in Sekundenschnelle abzuschätzen, ob das Spielzeug potentiell gefährlich für ihn sein könnte (Fall 1), etwa ein loser Schnürsenkel, Zerbrechliches oder Kleinteile, oder ob es wichtig genug für uns ist, dass wir es ihm wegnehmen müssen (Fall 2), zum Beispiel eine Sonnenbrille.

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Alle Gegenstände, auf die das nicht zutrifft, überlassen wir ihm und seiner ausgeprägten Experimentierlaune mit teilnahmsloser Resignation. Würden wir es ihm wegnehmen, wäre das Geplärre groß. Dafür fehlen uns meist die Nerven. Außerdem passiert das eh oft genug, wenn Fall 1 oder Fall 2 eintreten.

In letzter Zeit bin ich häufig erstaunt, welche Unmengen an Spielzeug manche Kinder in meinem Umfeld besitzen. Sorry, liebe Eltern, ich weiß, ihr könnt meistens nix dafür – die spendablen Großeltern sind schuld – und trotzdem frage ich mich jedes Mal: Braucht ein Kind wirklich so viel? Überfordert das nicht? Wenn unser Kleiner bei befreundeten Familien ein Kinderzimmer betritt, weiß er oft gar nicht, wo er zuerst hinstolpern soll vor lauter Bergen an Lego Ninjago, Paw Patrol und Peppa Wutz.

Natürlich haben wir auch eine Kiste mit Spielsachen daheim, die wir, vor allem in den ersten Monaten nach der Geburt, geschenkt bekommen haben. Darunter sind Rasseln, Plüschtiere, Kinderbücher, Bälle, Holzautos – von quietschbuntem Plastikkram bis pädagogisch wertvoll und ökologisch zertifiziert ist alles dabei. Aber momentan passt es noch in eine Kiste, die ich mit leidenschaftlicher Hingabe jeden Abend, auf Knien über den Wohnzimmerteppich kriechend, einräume. Manche Eltern würden hier den Kopf schütteln. Die meisten geben es irgendwann auf, täglich aufs Neue Ordnung ins Chaos zu bringen. Ich kann das verstehen. Aber für mich hat es auch etwas Meditatives, eine Achtsamkeitsübung für gestresste Väter und Mütter.

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Unter den Spielsachen, die unser Sohn besitzt, hat er zwei Lieblingsstücke (die würden oben in der Liste direkt nach Bällen kommen):

Ein Activity Board – eine geniale Erfindung für Kinder, die auf Schalter, Hebel und Lichter stehen. Und die unter Eltern allseits gefürchtete Tonie-Box, eine Mischung aus Bluetooth-Box und Kassettenrekorder. Man muss eine magnetische Tonie-Figur auf die Box stellen, damit eine vorher mit der Figur verknüpfte Playlist (oder ein Hörspiel) durchs Haus schallt. Fatalerweise kann das Kind die Lautstärke selbst regeln. Immerhin habe ich es geschafft, eine Playlist mit auch für uns halbwegs hörbaren Songs zu erstellen: Bob Dylan, Beatles, Popsongs der 70er und 80er.

Aber trotzdem beginne ich diese knapp 45-minütige Playlist langsam zu hassen, da sie tagein, tagaus läuft (wenn ich noch einmal die "Sultans of Swing" hören muss, renne ich gegen die Wand). Leider liebt unser Sohn die Box so sehr und tanzt dazu so derart niedlich, dass wir es nicht übers Herz bringen, sie zu verstecken.

Ich bin froh, dass er sich mittlerweile wieder für etwas Neues, weniger Nervenaufreibendes interessiert: Steine. Die gibt's überall gratis und sie sind meistens auch ökologisch zertifiziert. Der pädagogische Wert hält sich in Grenzen.

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Kolumne

Michael Güthlein
,
Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 9, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.