Ein paar Tage nach dem Mauerfall sind wir mit der ganzen Familie nach Helmstedt gefahren. Ich war sechs, mein Bruder drei und meine Mutter hochschwanger mit meiner Schwester. Ich kann mich noch daran erinnern, dass unglaublich viele Autos auf der Autobahn waren. Und die Innenstadt von Helmstedt war total voll, ungewöhnlich für so eine kleine Stadt. Wir sind in ein Geschäft rein – das war wie in einem amerikanischen Kitschfilm: helles Licht, alles blinkte und ganz viel Glitzer. Die Regale gefüllt bis unter die Decke mit Spielzeug bis zum Umfallen.
Sophie Kirchner
Ich war überfordert. Das ist meine Erinnerung an den ersten Tag im Westen. Herzklopfen, der Mund steht offen, viele Menschen, Enge und auch ein Gefühl wie ein Rausch. Es war einfach so anders als alles, was ich vorher kannte. Und dass die Erwachsenen so überwältigt waren, übertrug sich natürlich auch auf uns Kinder. Dass etwas von heute auf morgen komplett anders war, das habe ich gespürt.
Seitdem kann ich mich nur schwer entscheiden
Und dann habe ich mir in dem Geschäft das Pony gekauft. Ich durfte mir eine Sache aussuchen, und bei der immensen Auswahl an Spielzeug hat das auch gedauert. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt: Ich kann mich nur schwer entscheiden.
Was würden Sie sich heute kaufen, wenn Ihnen der Staat 100 Euro schenken würde?
Wahrscheinlich würde ich es erst mal weglegen und ein Wochenende darüber nachdenken. Denn ich mag ja Entscheidungen nicht so gern. Vielleicht würde ich mir ein paar schöne Stoffe kaufen. Und auch etwas für meine Kinder!