Möchten Sie sich ehrenamtlich engagieren? In der chrismon-Serie "Ich mach das!" erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt. Zum Beispiel Roland Börger, Jahrgang 1955, der in einem Teekeller in Leipzig mit anpackt.
chrismon: Was machen Sie?
Roland Börger: Im TeeKeller der Michaeliskirche kochen wir Ehrenamtliche Abendessen aus Lebensmittelspenden, bewirten Menschen ohne Wohnung und in sozialer Not und geben ihnen Lebensmittel, Backwaren, Kleidung, gelegentlich auch Hygienemittel mit. Wir haben in der Regel um die 25, manchmal bis zu vierzig Gäste.
Warum machen Sie das?
Nach 50 Jahren als Kirchenmusiker und Hochschullehrer habe ich das Bedürfnis, etwas im sozialen Bereich zu tun. Über die Berichterstattung wurde ich darauf aufmerksam, dass Armut und Obdachlosigkeit auch in Leipzig zunehmen, das hat mich aufgerüttelt. Ich hatte auch zwei tolle Vorbilder: Einen Kollegen, der sich lange um Straßenkinder gekümmert hat. Und meine verstorbene Frau, die sich sozial sehr engagiert hat.
Was hatten Sie so nicht erwartet?
Wie schnell die Konflikte unter den Gästen eskalieren und wir entscheiden müssen, wie wir damit umgehen. Das Gleichgewicht in diesem Raum, der ein geschützter sein soll, ist sehr sensibel. Bei solcher Not gibt es leider auch Konkurrenzen zwischen manchen. Dafür müssen wir ein Gefühl entwickeln und schnell Entscheidungen treffen. Manchmal müssen wir leider doch ein vorübergehendes Hausverbot aussprechen, in besonders akuten Fällen die Polizei rufen.
Gab es einen Moment, der Sie besonders berührt hat?
Zum Konzept gehört, dass Menschen, denen es guttut, auch bei bestimmten Aufgaben in der Küche mithelfen können. So lernte ich eine Frau kennen, mit traurigem Leidensweg, der nicht aufhört. Noch immer wird diese Person ausgegrenzt und angegriffen. Einige Wochen später passierte das auch im TeeKeller – und dieselbe doch so sensible Person entwickelte in ihrer Reaktion eine unglaubliche Aggression, wurde gewalttätig.
Werden Sie auf solche Situationen vorbereitet?
Es gibt Deeskalationstrainings, und wir tauschen uns bei der Arbeit und in Teambesprechungen untereinander oder aber jederzeit mit dem Sozialarbeiter aus, der das Projekt hauptberuflich leitet. Mich beeindruckt die Hierarchielosigkeit dabei. Er ist nicht der Allwissende, der alles anleitet, sondern kommt regelmäßig mit Fragen zu uns. Anders geht es nicht. Glaubwürdigkeit ist an diesem Ort ein wichtiges Thema und die Arbeit im Team das A und O.
Was kann schwierig sein?
Der Schmerz und die Ohnmacht zu sehen, wie Menschen immer wieder in dasselbe Loch zurückfallen, und man kann ihnen nicht wirklich helfen.
"Mich beflügelt die zupackende Heiterkeit im Helferteam!"
Roland Börger
Wie gehen Sie damit um?
Ich übe noch. Es ist schwer, wenn man zu Hause niemanden hat, mit dem man das Erlebte am Küchentisch nochmal sortieren kann. Gerade an Tagen, an denen jemandem doch ein vorübergehendes Hausverbot erteilt werden musste. Allein diese Hilflosigkeit auszuhalten, die Selbstvorwürfe und Resignation, das ist Einsamkeit, das tut weh. Mittlerweile fällt es mir aber leichter, mich an andere Teammitglieder zu wenden. Wir bewegen uns in einem labilen Netz und ich bewundere die Feinfühligkeit, die meine Kollegen und Kolleginnen entwickelt haben.
Was sind schöne Momente?
Momente der Dankbarkeit: Eine gebrechliche Frau kommt zu mir, greift meine Hand und sagt: "Schön hast du heute gekocht, danke!" Das war ganz am Anfang und hat mich völlig überrumpelt. Ein anderes Mal versuchten zwei ältere Damen, die kein Deutsch sprachen, mit Händen und Füßen, etwas zu sagen. Ihre Begeisterung schlug in Verzweiflung um, weil es nicht klappen wollte. Später kamen sie mit einer Übersetzungshilfe auf einem Smartphone: "Danke, Gott soll dir danken."
Was haben Sie für sich schon gelernt?
Dass ich in dieser Aufgabe und an diesem Ort goldrichtig bin. Mich beflügelt die zupackende Heiterkeit im Helferteam! Die verbindet uns und macht mich dankbar. Das gemeinsame Kochen ist für mich ein familiärer Moment.
Welche Eigenschaften sollte man mitbringen?
Frei von Vorurteilen und offen für Menschen sein. Und echt sein!
Wie oft helfen Sie?
Ich habe in der Regel an beiden Tagen Zeit: Dienstag und Donnerstag von 16 bis 20 Uhr. Andere kommen einmal, wenn möglich auch zweimal pro Woche.
Weihnachten ist diesmal ein Dienstag, macht der TeeKeller auf?
Ja, und ich werde dort sein. Es gibt in der Woche davor ein Weihnachtsfest, bei dem Gemeindemitglieder die Wünsche der Bedürftigen erfüllen. Liebevoll verpackt und mit schön gestalteten Glückwunschkarten erhalten unsere Gäste Lebenswichtiges: Wanderschuhe, Zelte, Schlafsäcke… Mich rührt, wie großzügig viele der Schenkenden sind, und wie die Menschen durch diese Aktion Würde und Achtung erfahren.