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Was hat die Fast-Food-Kette Pizza Hut mit der "Mona Lisa" zu tun? Das weltberühmte Gemälde war im Jahr 2003 Teil einer Werbekampagne. Auf den Plakaten saß die Mona Lisa in einem Restaurant, vor sich eine Pizza, und dazu der Slogan "Mach dich bereit für etwas wirklich Italienisches". Denn wenn Pizza Hut für eines bekannt ist, dann ist es ja authentisch italienische Pizza. Berühmte Meisterwerke tauchen immer wieder in der Werbung auf. Levi’s kleidete den nackten "David" von Michelangelo mit einer Jeans ein, und eine Creme gegen trockene Haut kittete die brüchige Farbe im Gesicht von Botticellis "Venus".
2017 nahm sich dann Aldi Süd eines meiner Lieblingskünstler an: Giuseppe Arcimboldo. Der italienische Maler ist bekannt für seine Porträts, die aus allen möglichen Pflanzen zusammengesetzt sind. Aldi Süd kreierte in Anlehnung an Arcimboldo Gesichter aus Obst und Gemüse, um die Frische ihrer Produkte zu bewerben. Das sah einigermaßen skurril aus und war ein garantierter Blickfang.
Nicht nur auf Werbeplakaten, auch im Museum fällt Arcimboldo sofort auf. Ich erinnere mich noch gut, wie ich durch das Kunsthistorische Museum in Wien ging, überall waren herrschaftliche Porträts, auf denen die Menschen ernster schauten als auf biometrischen Passfotos. Und plötzlich hing mittendrin dieser optimal organisierte Obstsalat, dieses Gesicht aus Birnen, Kirschen, Pfirsichen mit dem Titel "Sommer". Auch sommerliches Gemüse ist auf dem Bild, so wird die stattliche Nase von einer Feldgurke gebildet und die Stirn von einer Zwiebel.
Die Kleidung der Figur besteht aus Getreideähren, in die Arcimboldo seinen Namen geschickt eingeflochten hat, es ist die einzige mir bekannte Stroh-Signatur. Das Gemälde "Sommer" ist aus verschiedenen saisonalen Pflanzen zusammengesetzt. Die Arbeit gehört zu der Bilderserie "Vier Jahreszeiten", bei der Arcimboldo auch Frühling, Herbst und Winter auf ähnliche Weise darstellte. Der Werkzyklus ist eine Anspielung auf die verschiedenen Lebensphasen und auf die vier Elemente – der trockene, heiße Sommer steht für das Feuer, und tatsächlich erscheint das Bild mit dem ganzen Stroh sehr leicht entflammbar.
Arcimboldo ist in der Kunstgeschichte eine absolute Ausnahmeerscheinung. Wie kam ein Künstler vor über 450 Jahren auf so ein ungewöhnliches Motiv? "Sommer" entsteht im Jahr 1563 und fällt damit in die Spätphase der Renaissance, die auch Manierismus genannt wird. In der Renaissance wurde die Kunst sehr wissenschaftlich und exakt angegangen. Die technische Perfektion vieler Werke macht die Renaissance zur Streberin unter den Kunstepochen. Im Manierismus wurde damit gebrochen, "Maniera" bedeutet im Italienischen Stil oder Eigenart, und genau das wurde betont.
Nun war Schluss mit dem bisherigen Streben nach Ordnung und Harmonie. Der Manierismus war wie die Pubertät der Renaissance. Regeln wurden bewusst gebrochen und die Möglichkeiten der Malerei ausgereizt. In diese experimentelle Phase passen Arcimboldos kuriose Gemälde gut hinein, und seine anspielungsreichen Werke entsprachen der manieristischen Vorliebe für Allegorien. Arcimboldo probierte viel herum und malte sogar ein Gesicht aus Fischen. Hätte er mich porträtiert, wäre meine Meinung klar: lieber Gurkennase als Lachslippen und Welswange.