Ein Schuh als Kunstwerk
Teuflische Treter
Ein satanischer Skandal mit Schuhen? Der Rapper Lil Nas X und das Künstlerkollektiv MSCHF provozieren - und machen damit Kasse
Satan Shoes
MSCHF / THE MEGA AGENCY
Pierre Jarawan
05.05.2025

Im Jahr 2020 kam einer der wohl hässlichsten Schuhe jemals auf den Markt: ein Paar Crocs mit einem fotorealistischen Aufdruck von Fried ­Chicken. Mehr kann man Hunde kaum ­provozieren, einem voll in den Fuß zu beißen. Die Schuhe mit den knusprigen Hähnchenteilen sahen aus, als stünde man mitten in einer Fritteuse.

Pierre Jarawan

Jakob Schwerdtfeger

Jakob Schwerdtfeger, Jahrgang 1988, ist Kunsthistoriker und Comedian. 2023 erschien sein Buch "Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Kunst" (dtv). Er tritt in vielen Museen auf und lebt in Frankfurt.

Wie kann das sein? Was haben ­klobige Sandalen im Krankenhaus-Look mit Fast Food zu tun? Crocs hatte sich für dieses Modell mit der ­Restaurantkette Kentucky Fried Chicken zusammengetan. ­Solche schrägen Marken­kooperationen gibt es in der Modewelt öfter, vor allem bei Schuhen. So kreierte Puma einen Sneaker zusammen mit Super Mario, Zara kooperierte mit Playstation und Adidas veröffentlichte einen Turnschuh mit niemand Geringerem als Kermit, dem Frosch. Wer möchte keine quakenden Quadratlatschen? Auf dem Schuhmarkt für wirkliche Überraschungen zu sorgen, ist daher mittlerweile schwierig. 2021 jedoch kreierte der "Satan Shoe" einen handfesten Skandal – und jede Menge Aufregung.

Ein durchweg teuflisches Design

Der Rapper Lil Nas X und das New Yorker Kunstkollektiv MSCHF hatten einen Schuh der Marke Nike überarbeitet und machten daraus teuflische Treter. Von der Lasche des Sneakers baumelte ein glänzendes Pentagramm, und auf dem Schuh stand "Luke 10:18". Das war genau wie der Verkaufspreis von 1018 US-Dollar ein Verweis auf das Lukas­evangelium: "Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz." Verkauft wurde der Sneaker in einer passenden Stückzahl von 666. Zusätzlich war die Sohle mit roter Tinte befüllt, angeblich befand sich darin ein Tropfen Menschenblut – ein durchweg diabolisches Design.

Lil Nas X sorgte für noch mehr Furore mit seinem Musikvideo zu dem Song "Montero (Call Me By Your Name)". Darin rutscht der Rapper, der offen zu seiner Homosexualität steht, an einer Poledance-Stange aus dem Himmel in die Hölle. Anschließend tanzt er den Teufel an, der natürlich die "Satan Shoes" trägt. Am Ende des Videos bricht Lil Nas X dem Teufel das Genick und übernimmt seine Hörner.

Satan Shoes: Ein Hype vom Reißbrett

Die abgedrehte Kooperationskultur in der Modewelt wird mit den "Satan Shoes" auf die Spitze getrieben. Für mich sind sie ein bissiger Kommentar auf die Branche und ihre Vermarktungsstrategien. Durch künstliche ­Verknappung der Auflage wird Kaufdruck erzeugt, die Ko­operation mit einem Prominenten schafft die nötige Aufmerksamkeit. Hinzu kommt ­eine geplante Provokation, denn Religion ist für manche Menschen eines der letzten Tabuthemen. Hier wurde ein Hype am Reißbrett entworfen – und er ging auf. Die "Satan Shoes" waren nach weniger als einer Minute ausverkauft. Nike reagierte prompt mit einer Klage wegen Verletzung der Markenrechte. Es kam zu einer Rückrufaktion der Sneaker und zu noch mehr Aufmerksamkeit.

MSCHF besteht aus etwa 23 Mitarbeitenden und wurde 2016 in Brooklyn gegründet. Viel mehr weiß man nicht. Es ist ­spannend, wie MSCHF die Grenzen zwischen Kunst­kollektiv und hippem Unternehmen verschwimmen lässt. Die "Satan Shoes" ­machten sich über die eigene Branche lustig und spülten genau damit knapp 700 000 US-Dollar in die Kasse – ein ­einträglicher Joke.

Für MSCHF war es übrigens nicht die erste Adaption eines Nike-Schuhs. Bei einem anderen ­Modell arbeiteten sie mit dem größten Influencer aller Zeiten zusammen: Jesus Christus. 2019 erschienen die "Jesus Shoes" mit Kruzifix an den Schnürsenkeln. In der Sohle war heiliges Wasser aus dem Jordan, so dass man nun wie Jesus auf Wasser laufen konnte – wenn auch nur auf ein paar Millilitern. Der Name MSCHF kommt von dem englischen Wort "mischief" und das bedeutet ­"Unfug". Passt gut, nur ist es eben Unfug mit Hintersinn.

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