Die passenden Farben
In einer Zeichnung die Welt erklären
Der "verliebte Teufel" ist rot, vieles andere aber schwarz-weiß. Ein Gespräch mit dem Illustrator Mehrdad Zaeri über seine Flucht aus dem Iran, Freiheit und künstlerische Vorbilder
Illustration aus dem Buch "Der verliebte Teufel"
Mehrdad Zaeri
22.10.2024
10Min

chrismon: Warum treffen wir uns im Mannheimer Marchivum?

Mehrdad Zaeri: Das Stadtarchiv war im Zweiten Weltkrieg ein Hochbunker, jetzt ist es ein modernes Haus der Geschichte. Meine Frau Christina Laube und ich wurden gebeten, Wände in den unteren Bunkergeschossen zu bemalen. Dafür haben wir Menschen interviewt, die den Nationalsozialismus miterlebt haben. Ihre Geschichten waren so bildhaft und archaisch, dass sie uns keine Ruhe mehr gelassen haben.

Als "Duo Sourati" bemalen Sie und Ihre Frau Fassaden in Mannheim, aber auch in anderen Städten. Warum gehen Sie in den öffentlichen Raum?

Erst mal: Sourati ist ein persisches Wort und heißt ­"alt­rosa". Der Reiz ist, mit den Menschen auf der Straße in Kontakt zu kommen. Sie sagen oft erst mal: ­Eigentlich ver­stehe ich nichts von Kunst." Aber dann kommen wir ganz zwanglos ins Gespräch, und sie haben viel mehr ­Meinung, als sie denken.

Sie zeichnen auf Wände oder live, animieren auch mal einen Film, aber vor allem illustrieren Sie Bücher. Nun haben Sie gleich mehrere neue. Eines heißt "Wer küsst wen? Bilder – Kunst – Reise". Was ist das für ein Format?

Etwas ganz Eigenes, das es so noch nicht gibt. Im Vorfeld einer Ausstellung saßen meine Frau und ich eines Tages in Antwerpen und zeichneten auf Bierdeckel, viele, viele Bierdeckel. Da kam mir die Idee, ein Buch zu machen, das ganz und gar aus Bildern besteht, aber nicht unbedingt in der richtigen Reihenfolge.

Wie wurde ein Buch daraus?

Entstanden sind 232 Zeichnungen in zwei übereinanderliegenden Buchblöcken, die auf den ersten Blick gar nichts miteinander zu tun haben. Erst nach und nach erkennt man Verbindungen. Auf Seite 120 sieht man einen Kater, der 40 Seiten vorher schon einmal neben einer Frau saß, die vielleicht Sommersprossen hat. Aha, die hat man ja in einem anderen Zusammenhang auch schon gesehen, vielleicht ist sie aber das Frauchen von ihm. Je länger man die Bilder anschaut, desto mehr erfährt man, wie die Leute heißen, lernt ihren Alltag kennen, ihre Familienzugehörigkeit und ihre Lebenssituation. Ein Detektivspiel, an dem Kinder genauso wie Erwachsene viel Spaß haben können. Hatte ich jedenfalls auch selbst.

Lesen Sie hier: "Kunst ist für alle da." Jakob Schwerdtfeger erklärt Bilder lustig und verständlich - jetzt auch auf chrismon.de

Wie sind Sie auf den Titel "Wer küsst wen?" gekommen?

In diesem Buch schaut man ja mehreren Menschen, ­Tieren und Städten beim Leben zu. Das ist manchmal auch ganz unspektakulär. Aber Küssen ist der Inbegriff des Lebendigseins, der Lebensfreude, der Nähe. Man sieht in diesem Buch immer wieder Szenen, in denen Menschen oder Tiere sich küssen. Jetzt geht es darum, wer diese Küssenden sind, wie sie zusammengehören. Der Titel, ganz bewusst eine Frage, ist ein erster Hinweis darauf, wie man mit ­diesem Buch umgehen kann.

Wie in vielen Ihrer Bücher sind auch hier die Zeichnungen schwarz-weiß. Was mögen Sie so daran?

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