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Es gibt ihn ja noch, den heiligen Kelch, aus dem Jesus während des Abendmahls getrunken haben soll. Aufbewahrt wird er in Valencia. Hervorgeholt nur zu feierlichen Anlässen. Der letzte Papst, der ihn für eine Messe verwendete, war ausgerechnet Benedikt XVI. Dabei hätte Ratzinger spätestens seit Jesus wissen können, dass der Kelch demjenigen, der aus ihm trinkt, nichts Gutes bringt.
Lukas Meyer-Blankenburg
In seinem Gemälde "Der Kelch der Päpste II" von 2008 zelebriert der chinesische Künstler Yongbo Zhao dementsprechend einen grotesken Abgang des Pontifex maximus. Ratzingers Lieblingsmitarbeiter, Privatsekretär Georg Gänswein, vom Boulevard einst als George Clooney des Vatikans geadelt, taumelt schon bedenklich nah am Fenster und sieht nicht mehr so souverän und sexy drein wie der coole Schauspieler aus den USA.
Der Papst selbst hingegen hat – ganz guter Katholik – angesichts der Welt aus den Fugen eine Fatalistenmiene aufgesetzt, der nicht recht zu entnehmen ist, ob er weint oder lacht oder mit bayerischer Stoik das Schicksal erträgt, das ihm von seinem Schöpfer (wie bezeichnend hier Künstler und Gottheit verschmelzen) auferlegt worden ist.
Ist die Kirche am Ende?
Allzu groß scheint die Vorfreude aufs Paradies jedoch nicht zu sein. Mit aller Macht klammert sich das Oberhaupt der Kirche ans irdische Leben und den umgedrehten Hirtenstab. Überhaupt: das umgedrehte Kreuz – ein Zeichen dafür, dass die Kirche am Ende ist? Oder steht der Pontifex, wie praktisch jeder Papst skandal- und missbrauchsbeladen, gar mit dem Teufel im Bunde? Der kleine Jesus hebt jedenfalls besorgt das Köpfchen. Mehr ausrichten kann auch er nicht.
Die Neuauflage des berühmten Prager Fenstersturzes verlegt Yongbo Zhao hier in seine Wahlheimat München, durchs Fenster sind die Türme der Frauenkirche zu erkennen. Und den an sich selbst berauschten Dämonen leiht der Künstler gleich das eigene Gesicht. Der Maler mischt gern mit in seinen Bildern.
Auf den zumeist riesigen Leinwänden rückt Yongbo Zhao bevorzugt den Mächtigen der Erde auf den Pelz, von Mao bis zur Queen, zeigt die Welt als buntes Tollhaus, lässt in seinem Werk "Mutter Erde – ausgesaugt" Dämonen mit Nationalflaggen an den entblößten Brüsten einer scheinbar ohnmächtigen Dame nuckeln oder in "Den Blumen ist es egal, woher der Mist kommt" Riesenkröten Humus ausscheiden.
Altmeisterliche Farben
Yongbo Zhao malt in erdigen, altmeisterlichen Farbtönen, seine Motive aber sind gegenwärtig. Und immer geht es dabei grotesk, überzogen, beinahe wahnwitzig und humorvoll zu. Der Chinese wurde deshalb schon in eine Tradition gestellt mit den europäischen Großvätern der Satire, wie etwa dem französischen Karikaturisten Honoré Daumier oder dem spanischen Meister der Groteske Francisco de Goya.
Yongbo Zhaos Ruhm ist ein kleiner Beweis für die Lebendigkeit der Karikatur. Dabei sind seine Bilder nur selten in Ausstellungen zu sehen. Meist werden sie ihm von der Staffelei weggekauft, noch bevor sie fertig sind.
Sein Talent zeigte sich früh
Schon in seiner Heimat, der chinesischen Mandschurei, erkannten Eltern und Lehrer das Talent des malenden Grundschülers, der seiner Klasse anstelle des Kunstlehrers vorzeichnen und die Schul- und Hauswände seines Dorfs bepinseln durfte. Folgerichtig machte Yongbo Zhao als junger Künstler in China Karriere, ehe es ihn 1991 in den Westen zog, wo er die alten Meister studierte und sich im Chinarestaurant als Tellerwäscher verdingte – bis ihn sein Münchner Kunstprofessor regelrecht an die Staffelei zwang. Wenn es nach dem Papst emeritus ginge, hätte er das bestimmt ruhig unterlassen können.