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Vertraute Fremde – so lassen sich die Figuren auf diesem Bild wohl am treffendsten bezeichnen. Zwar sind die beiden Menschen hier Unbekannte, aber das Arrangement ist ein Evergreen der Kunstgeschichte und Museums- wie Kirchgängern gleichermaßen bekannt: im Zentrum eine erwachsene Behüterfigur, die liebevoll ein Baby hält. Der undefinierte Hintergrund sorgt für zusätzlichen Fokus auf die beiden Hauptdarsteller.
Lukas Meyer-Blankenburg
Wer immer noch rätselt, muss nur den Titel lesen und weiß, welches Motiv der irische Fotograf Richard Mosse zum Vorbild wählte: Madonna and Child von 2012. Interessant wird das Ganze im Kontrast zur berühmten Vorlage. Denn die Madonna ist bei Mosse ein kongolesischer Soldat, der während einer Feuerpause seine kleine Tochter trägt. Ist der nächste Heiland also eine Heilandin aus Afrika?
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Noch etwas fällt auf neben dem Geschlechtertausch: Für gewöhnlich ist die postnatale Madonna mit den Augen ganz bei ihrem unbefleckt Empfangenen. Der Betrachter wird zum Voyeur einer Szene voll Geborgenheit und Liebe. Bei Mosse hingegen sucht die männliche Madonna den Augenkontakt nach außen. Trauer, Verzweiflung, vielleicht sogar Anklage liegen in diesem Blick.
Und auch der Hintergrund hat wenig gemein mit Floristenromantik und sanftem Weichzeichner. Denn der Dschungel von Kivu ist Kriegsgebiet und für die Dargestellten die Hölle auf Erden. Für die grellen Lila- und Pinktöne sorgt die spezielle Filmtechnik des Fotografen, Mosses Markenzeichen. Seit Jahren schon reist der Ire in die Krisen- und Kriegsgebiete dieser Erde, zu den gefährlichsten Flüchtlingsrouten auf dem Balkan und in den Niger oder dokumentiert die Lage und die Lager der Gestrandeten, der Ausgegrenzten und Hilfesuchenden.
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Mosse filmt und fotografiert diese Orte mit der an ihnen eingesetzten Militärtechnologie. Das heißt: Er nimmt Flüchtlinge auf mit den Wärmebildkameras, die Grenzsoldaten verwenden, um jene aufzuspüren. Oder nutzt, wie bei "Madonna and Child", alte Infrarotfilme der Armee, mit denen kamouflierte Feinde und deren Verstecke ausfindig gemacht werden sollen. Der Künstler will zeigen, wie Regierungen in Person ihrer Militärs Menschen wahrnehmen: nämlich über entmenschlichende Technologie.
Mosse verwendet die Technik gegen ihren eigentlichen Zweck und gibt den Gezeigten dadurch ihre Würde zurück. Der junge Künstler will bei den Betrachtern das Gefühl "unruhiger Mittäterschaft" erzeugen. Mit vergessener Militärtechnologie macht er auf vergessene Krisen aufmerksam, wie in Zentralafrika. Oder ändert die Perspektive, durch die Flüchtende wahrgenommen werden. Noch mal neu über die Ankommenden nachdenken – kein schlechter Auftrag für die Weihnachtszeit.
Eine erste Version des Textes erschien am 12. Dezember 2018.
Titelbild Chrismon 12.2019
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Es ist beschämend, dass Sie verschweigen, dass dies das Motiv des Sowjetischen Kriegerehrenmals in Berlin- Treptow ist! Gerade jetzt, wo die Beziehung mit Russland nicht die besten sind, sollte alles vermieden werden, was den Nationalstolz der Russen kränkt, zumal diese ja bekanntlich darin sehr empfindlich reagieren.
Mit freundlichen Grüßen
Hartwig Thieme
Dr. Hartwig Thieme
Sehr geehrte Damen und
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Sehr geehrte Damen und Herren,
wissen Sie, wie sehr mich das Bild auf der Titelseit des o.g. Heftes beeindruckt hat? Sie können es nicht wissen und deshalb schreibe ich es Ihnen heute.
Der kongolesische Soldat mit seiner kleinen Tochter auf dem Arm berührt mich sehr. Echt Weihnachten!
Ich danke Ihnen sehr für die Übermittlung dieses Bildes und kann Ihnen schreiben, dass ich auch sonst sehr gerne "chrismon" lese.
Alles Gute für Ihr Arbeit.
Freundliche Grüße
Annemarie Neubauer