Eine schwangere Studentin machte Arno Rink zum Künstler. Weil die junge Frau ihr Studium nicht fortsetzen konnte, bekam Rink nach langem Warten doch noch einen Platz an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst – und Deutschland einen seiner prägendsten Maler der vergangenen fünfzig Jahre. In der DDR aufgewachsen, arbeitete sich Rink zunächst ganz im Sinne der Staatsdoktrin durch den sozialistischen Realismus, sorgte mit seiner Motivwahl aus den Mythen der Menschheit aber dafür, dass er politisch nicht zu vereinnahmen war. Der Künstler blieb ein Freigeist und malte Sagengestalten wie den hochfliegenden Ikarus. Für – vermeintlich nur – antike Motive bekam man keinen Ärger. Wenn Rink doch einmal politisch wurde, dann im übergeordneten Sinne als Kommentator zu Fragen nach Gewalt und Freiheit.
So beschäftige er sich unter anderem mit der grausamen Militärdiktatur in Chile. Dort hatte sich General Augusto Pinochet mit Hilfe der USA 1973 an die Macht geputscht und behauptete seine Stellung mit der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Heute, da Pinochet längst tot ist, kann Rinks Bild auch jenseits des zeitlichen Zusammenhangs als malerischer Widerstand gegen staatliche Gewalt gelesen werden. Interessanterweise bedient sich der Künstler dabei christlicher Symbole. Eine Gruppe Menschen wird hier von gesichtslosen und eben unmenschlichen Einheiten mit Schlagstöcken und Wasserwerfern verdrängt. Die Motive der Staatsmacht lassen sich – je nach Kontext – austauschen. Keines rechtfertigt den heftigen Gewalteinsatz. Rink zeigt den moralischen Verfall an. Kein Zufall also, dass Christus auf der linken Bildhälfte in die Tiefe stürzt, während der Frau in der roten Bluse ohne viel Fantasie das Kreuz des Leides auf die Schultern gelegt werden kann.
Rink moralisiert hier ohne Umschweife. Gewalt durch den Staat ist für ihn Staatsterror. Das Bild von 1978, Teil einer Reihe, heißt folgerichtig Terror II. So prägnant und figürlich blieb Rink Zeit seines Künstlerlebens. Seine Frau, die Galeristin Christine Rink, informierte ihn zwar regelmäßig über die neuesten Trends aus dem Westen. Dort galt figürliche Malerei als Oldschool, und junge Herren names Beuys oder Richter machten mit abstrakten Bildern, Videos und Fotos Karriere. Aber der Maler Rink konnte den Fragen der Menschheit nur mit Menschen auf der Leinwand nachgehen. Nach der Wende musste er sich dafür den dummen Vorwurf gefallen lassen, nie von der sozialistischen Figürlichkeit losgekommen und schlicht Propagandakünstler der DDR gewesen zu sein. Das verletzte ihn sehr.
Aber Rink malte hartnäckig weiter: wie jeder gute Künstler ohne das Ziel, einem Trend hinterherzulaufen, und wie viele gute Künstler mit dem Resultat, selbst zum Trendsetter zu werden. Rink gilt als Vater der sogenannten Neuen Leipziger Schule. Seine Studenten sind international gefeierte Künstler wie Neo Rauch und Michael Triegel, der auf dieser chrismon-Seite auch schon mal zu sehen war. Über diesen Erfolg hat sich der Hochschullehrer Rink gefreut, ebenso wie über die große Retrospektive seiner Werke, die das Leipziger Museum der bildenden Künste noch bis zum 16. September zeigt. Rink, der vor fast einem Jahr starb, hatte bis zuletzt an der Schau mitgearbeitet.