Psychotherapie im Alter
Es ist nie zu spät für eine Therapie
Ob Lebenskummer, alte Traumata, verschleppte Depressionen – auch Ältere können ihrem Leben noch einen anderen Dreh geben. Und das wagen immer mehr Menschen
Silke Werzinger
Tim Wegner
Privat
25.04.2025
15Min

Ist es denn nicht normal, dass man im Alter ­depressiv wird? Nein, man wird nicht automatisch ­depressiv, auch wenn man im Alter viele Verluste erlebt. Es erkranken jedes Jahr etwa acht Prozent der ­erwachsenen Deutschen aller Altersgruppen ­zwischen 18 und 79 Jahren an einer Depression. Aber Ältere bekommen viel seltener eine ­Psychotherapie angeboten.

Oft wird eine Depression ärztlicherseits ­abgetan mit einem "Na ja, der ist halt alt", sagt Alexandra Wuttke, die an der Konstanzer Uni eine Psychotherapieambulanz für Menschen im höheren Lebensalter leitet. "Dabei kann man mit einer Therapie so viel erreichen!"

Selbst einfache Maßnahmen können schon viel ändern, etwa das "Positiv-Tagebuch", eine Übung aus der Ver­haltenstherapie. Die wirke auch vorbeugend, sagt Alexandra Wuttke, sie macht die zu Hause in der Familie jeden Abend: "Wir sagen reihum drei Dinge, für die wir dankbar sind. Das schärft ­enorm den Blick fürs Positive." Es geht nicht um eine rosarote Brille, sondern um eine faire Wahrnehmung. ­Ältere zweifelten zwar am Anfang: "Drei Dinge? Das fällt mir im Leben nicht ein!" Aber dann . . .

Es ist nie zu spät für eine ­Psychotherapie, das ist Stand der Wissenschaft. Und der Bedarf ist da. Rund 10 000 Menschen ­nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben. Das sind mehr Tote, als zusammengenommen durch Mord, Totschlag, Drogen und Unfälle sterben. Dazu kommen noch etwa 100 000 Suizidversuche. Mehr als die Hälfte der ­Menschen, die sich in Deutschland pro Jahr selbst töten, sind über 60 Jahre alt.

chrismon Spendenabo doppeltgut
doppeltgut
Digitales Spendenabo abschließen und weiterlesen

4 Wochen gratis testen, danach mit 10 € guten Journalismus und gute Projekte unterstützen.
Vierwöchentlich kündbar.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.