Wann sollte man eine Therapie machen?
Gefühle können schwanken, das ist normal. Auch niedergeschlagen sind wohl alle mal. Die meisten Menschen erleben auch irgendwann im Leben mal richtig Leidvolles. Vieles kann man selbst verarbeiten - man denkt darüber nach, spricht mit anderen. Wann sollte man eine Therapie machen?
Dazu sagt die Psychoanalytikerin Cécile Loetz, die mit ihrem Mann Jakob Müller den Podcast "Rätsel des Unbewussten" macht: "Man sollte eine Therapie machen, wenn das Leiden zu groß wird, besser ein bisschen vorher. Denn fast immer kommen die Leute so spät, dass es oft erst einmal um eine Stabilisierung geht, bevor man sich mit den Ursachen beschäftigen kann."
Und Jakob Müller, ebenfalls Analytiker, sagt: "Man sollte an eine Therapie denken, wenn man merkt, dass man sein Leben, wie man es eigentlich leben möchte, nicht leben kann. Bei einer Depression etwa traut man sich nichts mehr zu, nimmt zum Beispiel eine berufliche Veränderung nicht an, die einem eigentlich gefallen würde. Dann lebe ich unterhalb meiner Möglichkeiten. Oder ich habe eine soziale Phobie und kann ohne Schamgefühle kaum in die Öffentlichkeit gehen, deswegen gehe ich mit meinen Kindern nicht auf den Spielplatz, wenn andere Menschen da sind. Man kann so zurechtkommen. Aber eigentlich ist es schade. Denn man könnte viel freier leben."
Lesen Sie ein langes Interview mit diesen beiden Stars der Psycho-Podcast-Szene
Warum dauert es so lange, einen Therapieplatz zu kriegen?
Es gibt zwar viele Therapeutinnen und Therapeuten, aber zu wenige dürfen über die Krankenkassen abrechnen, zu wenige haben also einen "Kassensitz". Die Kassenärztlichen Vereinigungen lassen fast nirgendwo in Deutschland neue Praxissitze zu, sagt die Bundestherapeutenkammer. Dabei möchten immer mehr Menschen eine Therapie machen - nicht weil die Menschen in Deutschland kränker geworden wären, sondern weil sich heute mehr Menschen mit seelischen Problemen trauen, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine Therapie gilt nicht mehr so als Makel.
Therapeutinnen und Therapeuten, die keinen "Kassensitz" ergattern konnten, führen meist Privatpraxen - bieten also Therapien für Privatversicherte und Selbstzahlende an. Die Suchmaschine spuckt als erste Adressen meist "sponsored links" von Privatpraxen aus. Klar, die müssen Werbung für sich machen. Therapeut*innen mit Kassensitz haben dagegen nur selten eine Homepage - sie haben bereits mehr als genug Patientinnen und Patienten. Die Bundespsychotherapeutenkammer fände es allerdings gut, wenn sich auch Kassensitz-Therapeutinnen und -Therapeuten im Internet vorstellen würden - damit man was erfährt über Alter, Ausbildung, Therapieschwerpunkte.
Wie kann ich schneller einen Therapeuten finden?
Die begehrtesten Termine sind die Randzeiten – also frühmorgens vor der Berufszeit oder ab spätem Nachmittag. Es kann also helfen, wenn man schon bei der ersten Kontaktaufnahme sagen kann, dass man zeitlich flexibel ist und zum Beispiel auch am späten Vormittag könnte. In manchen Berufen lässt sich das mit ein wenig Mühe einrichten.
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