chrismon: Für was haben Sie sich in letzter Zeit geschämt?
Matthias Kreienbrink: Vor ein paar Wochen war ich einkaufen und habe beim Bezahlen an der Kasse nicht "mit Karte bitte" gesagt, sondern "mit Käse bitte". Das gab natürlich eine Irritation, denn die Kassiererin und die Menschen hinter mir wussten gar nicht, was ich wollte. Dabei bin ich rot geworden und es war mir in diesem Moment eindeutig peinlich.
Kann man an diesem Erröten Scham erkennen?
Wenn ich mich schäme, entsteht meist ein Hitzegefühl. Das kommt daher, dass der Körper Stresshormone ausschüttet, die die Blutgefäße weiten. Durch diese Hitze bekommt man einen roten Kopf und auch schwitzige Hände. Dazu kommt oft, dass man der Person, der gegenüber man sich schämt, nicht in die Augen schauen kann und sich peinlich berührt abwendet.
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Scham als Spiegel einer Haltung zur Natur
Ich bin Naturist und weiß darum, wie schwer es Menschen fallen kann, ihre Nacktscham zu überwinden. Dabei bedeuten manche Bekleidungsregeln, dass Menschen sich ihrer Körper schämen, der gar als sündiger Leib gesehen wird. Wir sollten heute versuchen uns mit unserer Natur und all dem Leben um uns herum auszusöhnen.
Zu lange haben menschliche Kulturen sich mit der Natur als unberechenbaren Gegner, als das, was wir uns untertan machen müssen, auseinander gesetzt. Heute wäre es Zeit, uns selbst als Teil der Natur und all der Lebewesen auf unserer Welt zu verstehen. Vielleicht begreifen wir dann besser unsere Verantwortung für das Wohlergehen all der Mitmenschen und der anderen Lebewesen.
Ich weiß nicht, ob uns Nacktheit einer solchen Einstellung näher bringen könnte. Immerhin könnte es uns näher an das bringen, was an und in uns lebt und wir würden vielleicht die Scham darüber ablegen können, einen solchen Körper zu haben, dieser Körper zu sein, der wie ein Tierkörper aussieht, zu dem eben auch die Ausscheidungs- und Sexualorgane gehören und der altert und irgendwann stirbt.
Würde Nacktheit etwas Normales, könnte niemand mehr wegen seiner Nacktheit beschämt werden. Gegenseitige Akzeptanz und Respekt gehört zum Naturismus. Naturist*innen wenden sich gegen jede Beschämung. Leider ist das besonders für Frauen noch ein größeres Problem. Immer noch gilt eine Frau ohne Kleidung schnell als unanständig und wird weniger geachtet. Nur wenige fordern das Tabu weiblicher Nacktheit demonstrativ heraus. ich wünsche ihnen viel Erfolg.
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