Portraitfoto von Kevin
Kevin leidet unter Panikattacken, Depressionen, Versagensängsten und vielem mehr
Constantin Lummitsch
Soldat nach Ahrtal-Einsatz
"Mein Leben ist die Hölle"
Ein Soldat half bei der Flutkatastrophe im Ahrtal, erlebte Furchtbares und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Jetzt könnte er entlassen werden
Constantin LummitschLena Uphoff
10.07.2024
13Min

Kevin muss immer noch weinen, wenn ihn ein heftiger Regenschauer überrascht. Er ist 34 und Stabsunteroffizier, ein großer Mann mit kurz rasiertem Haar und langem schwarzem Bart. Vor kurzem hatte er sich getraut, das Haus zu verlassen und war mit dem Auto einkaufen gefahren, als es anfing zu schütten. Der Regen prasselte auf die Scheiben, trommelte auf das Blech, und dann kamen die Flashbacks vom Ahrtal, Bilder von zerstörten Häusern, von überschwemmten Straßen und von der toten Frau, die er nicht mehr vergessen kann.

Kevins Einheit, die Luftlandepionierkompanie 260, war am Morgen des 15. Juli 2021 in Bad Neuenahr-Ahrweiler angerückt. Er erinnert sich an das Hochwasser, an den Geruch von Feuchtigkeit im Sommer, sagt er. Zwischen dem 14. und dem 15. Juli waren im Ahrtal 100 bis 150 Liter ­Regen pro Quadratmeter gefallen, berechnete der Deutsche Wetterdienst – wesentlich mehr Regen als sonst durchschnittlich im ganzen Monat Juli. Das Hochwasser verwüs­tete Dörfer und Städte. Im Ahrtal starben 135 Menschen, 69 davon in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Luftlande­pioniere räumten dort mit ihren Fahrzeugen Schutt weg, pumpten Wasser aus Kellern und stießen auf Leichen.

Kevin ist bis zum Jahr 2035 Zeitsoldat und hat durch ­seinen Einsatz im Ahrtal eine posttraumatische Belastungs­störung (PTBS) bekommen. Er leidet ­unter Panik­attacken, Depressionen, Kaufräuschen, einem starken Drang nach Alkohol und Zigaretten, ­Alpträumen, Flashbacks, Angst vor Menschenmassen, Sirenen und Regen, ­diagnostiziert seine Bundeswehrpsychiaterin. "Mein ­Leben ist die ­Hölle", sagt er.

Hätte er seine Belastungsstörung im Auslandseinsatz bekommen, wäre das besser gewesen, sagt er. Dann wäre er ein Einsatzgeschädigter und würde von einem umfangreichen Schutzschirm profitieren, den die Bundeswehr für an Körper und Psyche erkrankte Soldaten und Soldatinnen aufgespannt hat. Dazu gehört neben Entschädigungs­zahlungen auch eine fünfjährige Schutzfrist, die auf insgesamt acht Jahre verlängert werden kann. Die verbietet eine Entlassung und soll den Soldaten Zeit zur Genesung geben. Einsatzgeschädigte, die auf begrenzte Zeit Soldat sind, können leichter Berufssoldat werden und sind damit bis zum Pensionseintritt abgesichert.

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