Psychotherapie und Krisen
Finde die Lücke
Es kann verführerisch sein, einfach zu verzweifeln. Gerade aktuell erscheint vielen Menschen die Weltlage düster wie selten. Der Psychiater Jakob Hein kennt andere Wege, um mit Krisen umzugehen
Finde die Lücke
"Praktisch niemals ist es nur ein einziges Problem", Jakob Hein
Dorothea Pluta
Susanne Schleyer
Aktualisiert am 28.08.2024
6Min

Seit jeher ist die Menschheit überzeugt, dass alles immer schlimmer wird. Und auch jetzt gerade erscheint es uns so schlimm und ausweglos wie nie zuvor. Die Krisen schieben sich förmlich übereinander, bedingen und verstärken einander. Wenn wir eine von ihnen gerade nicht beobachten, scheint sie sich in diesem Schatten heimlich zu verstärken. Gerade rutschen die Infektionskrankheiten etwas in den Hintergrund, doch das kann böse enden, da weiterhin Tiere mit Antibiotika gefüttert werden und so mit hoher Wahrscheinlichkeit Resistenzen entstehen. Auch die Angst vor Atomwaffen ist wieder zurück, und wenn man sich nur mal den Müll anschaut, den die ganzen Schnelltests produzieren, scheint keine der Krisen oder auch nur ihre Lösungen gut für das Klima zu sein.

Alles geht auf einmal schief

Im Ergebnis wollen viele ­Deutsche überhaupt keine Nachrichten mehr ­sehen oder hören. Dazu kann ich ­sagen: Mit Krisen, die zwar ­real existieren, mit denen aber die ­betroffenen Menschen keinen anderen Umgang finden als den hilflosen Versuch, sie zu verdrängen, kennen psychotherapeutisch arbeitende Menschen sich aus. Wir wissen nicht mehr als andere von Waffen, Viren oder dem Klimawandel, aber wir kennen ­Menschen in Krisensituationen. Denn im Gegensatz zu bestimmten Klischees werden wir in aller Regel von Leuten aufgesucht, die veritable Probleme haben. Und praktisch niemals ist es nur ein einziges Problem.

Lesen Sie hier: Jakob Hein über Empathie und gute Gespräche

Wenn die Dinge hübsch nacheinan­der aus dem Ruder laufen würden, dann wäre das nicht gut, aber handhabbar. Es läuft nicht gut auf der ­Arbeit – zum Glück hat man die ­Familie. Der Umzug in eine andere Stadt war ­belastend – aber das Gespräch mit ­guten Freunden kann mir Bestärkung und Zuversicht geben. Doch leider läuft es so oft nicht. Überfordert von der Arbeit rutscht der Mensch in Depressionen, der ­Partner sieht sich von der Situation überfordert und verabschiedet sich, die Freunde wissen nicht, wie sie helfen können, und ­ziehen sich zurück. Ein einziges Problem kann praktisch jeder lösen. Aber es gilt Murphys Gesetz: "Alles, was schiefgehen kann, geht schief", und die erste logische Schlussfolgerung daraus lautet: "Alles geht auf einmal schief."

Psychotherapie ist Arbeit

Leider haben wir Psychotherapeuten und Psychiaterinnen kein Geheimwissen über die Lösung von Problemen. Es ist nicht so, dass wir am letzten Tag unserer Ausbildung einen schwarzen Umhang umlegen und vom Großmeister in das geheime Verlies geführt werden, wo uns bei Kerzenschein die geheime Formel übergeben wird, der Satz, der alle Probleme löst, die Strategie, die immer hilft. Es gibt weder diesen Tag noch ­irgendwelche Pulver oder Zauber­sprüche. Nicht einmal die psycho-pharmakologischen Medikamente können Wunder vollbringen. Sie ­spielen oft eine wichtige Rolle in der Linderung der schlimmsten Symptome und helfen den Patienten, sich überhaupt dem psychothera- peutischen Prozess stellen zu können. Psychotherapie ist individuelle Arbeit, die nicht immer leicht ist für uns ­Therapeuten, aber für die Patientinnen und Patienten ist sie sehr schwer.

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Wem kann man heute noch trauen? Das ist das ganz große Problem.
Viele Menschen kennen kein Selbstvertrauen mehr, lieber "der liebe Gott wird es schon richten" und "es ist eben Gottes Wille, das es mir und der Welt so beschissen geht."
Ich bin dagegen und mein Selbstvertrauen hat mich meistens über Krankheiten, Probleme auf der beruflichen und auch in der privaten Ebene hinweg gebracht. Erkenne deine Feinde und es geht dir danach besser! Lücken schließen!