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Kürzlich habe ich mich gefühlt wie ein Geheimagent. Es war ein Termin, der nach einem Trenchcoat und einer Zeitung mit zwei Gucklöchern verlangte. Ich hatte nämlich ein Treffen mit einer sagenumwobenen Person, deren Anonymität gewahrt bleiben muss: PENG. Was klingt wie der Sound einer Spielzeugpistole, ist das Kürzel eines innovativen Graffitikünstlers. Seine Werke sind zu Tausenden in ganz Frankfurt am Main verteilt, "all city" nennt man das im Szeneslang.
Allerdings schreibt PENG nicht nur seinen Namen, sondern malt dazu kleine lustige Wesen. Sie bevölkern jeden Winkel der Stadt – Stromkästen, Wände und sogar die Fassade eines Hauses direkt am Hauptbahnhof. PENG gehört zu Frankfurt wie Grüne Soße, Skyline, Apfelwein und der Durchfall am Tag danach. Seine gemalten Wesen bestehen meist aus wenigen Strichen, ein Markenzeichen sind Nase oder Mund, die über das Gesicht hinausragen. Die Figuren sehen also wahlweise aus wie Pinocchio, oder als hätte ihr Lächeln kein Limit.
Als Kind war ich großer Fan der Bilderbücher von "Pettersson und Findus", die von einem alten Mann und seiner Katze handeln. Mein Highlight waren die Mucklas, kleine trollartige Wesen, die ständig Unfug trieben. Überall in den Bilderbüchern waren sie versteckt, sie zu suchen war meine größte Freude. Nun bin ich erwachsen und trotzdem habe ich diesen Spaß des Entdeckens weiterhin dank PENG. Seine Kunst versüßt mir jeden Gang durch Frankfurt. Plötzlich laufe ich mit offenen Augen durch den Alltag, kein Ort ist vor ihm sicher. Es ist, als hätte jemand die Monster AG über Frankfurt ausgeschüttet.
Mein halbes Leben wohne ich nun schon in dieser Stadt, die einen zweifelhaften Ruf genießt. Man nennt sie auch Krankfurt, Junkfurt, Bankfurt. Diese Spitznamen dürften das Stadtmarketing in den Wahnsinn treiben. Doch PENG ist der Gegenentwurf. In die tägliche Tristesse bringt er jede Menge Lebensfreude, denn seine kleinen Wesen versieht er mit Sprüchen wie "Ich bin ehrlich und habe Humor" oder "Wo ich bin, soll ich sein". Manchmal haben seine Figuren auch Flügel und daneben steht BAT-PENG, eine Anspielung auf Batman, immerhin sind beide geheimnisumwoben und nachtaktiv. Ab und zu sieht man zudem den Schriftzug PENGSY, eine augenzwinkernde Hommage an Banksy, den berühmtesten Street Artist der Welt.
Das fast schon besessene Vorgehen von PENG erinnert an einen der Urväter der Graffitibewegung aus den 1970er Jahren. TAKI 183 sprühte sein Pseudonym in ganz New York, denn er arbeitete als Bote und kam daher viel herum. Er war einer Ersten, der "all city" präsent war. PENG hat für sich nun den nächsten Ort erobert, der besonders ungewöhnlich für Graffiti ist: eine Kirche.
In Offenbach am Main läuft noch bis Ende April seine Ausstellung "Kunst im Turm" in der Friedenskirche (Geleitsstr. 104, Hauptportal). Jeden Mittwoch von 18.30 bis 20 Uhr kann man dort einen großen Raum bewundern, der komplett "pengisiert" wurde. Hier zu sehen ist auch das knuffige Wesen dieser Ausgabe, das mit seinem spärlichen Haarwuchs an Homer Simpson erinnert. PENG zeigt, dass man für Kunst nicht ins Museum gehen muss, er bringt seine Werke zu den Menschen, es ist Kunst für alle.
Ich hätte nie gedacht, dass ich dank chrismon mal so ein Abenteuer erleben würde und einen Künstler treffe, der im Untergrund agiert. Ich kann über PENG nur so viel verraten: Seine Nase ist nicht so lang wie die seiner Wesen, aber sein Lächeln ist ähnlich breit.