Buddhismus und Wellness
Was macht der Buddha in der Sauna?
In jedem Asia Shop eine Winkekatze, in jedem Fitnessstudio ein fetter goldener Buddha. Ist das kulturelle Aneignung? Religiöser Kitsch? Der Theologe Johann Hinrich Claussen erklärt, was dahintersteckt
Was macht der Buddha in der Sauna?
Kulturelle Aneignung oder religiöser Kitsch? - Buddhaköpfe und Statuen sind zur Massenware degradiert und sollen allerorts Entspannung vermitteln.
megakunstfoto/iStockphoto
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
18.03.2025
4Min

Leben heißt: sich austauschen, geben und nehmen – mal in Freundschaft, mal in Konkurrenz. Das gilt für die Kultur, aber auch für die Religion. Deshalb gehören zu den interessantesten Folgen der christlichen Mission die Gegenmissionen, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts aus dem asiatischen Raum ausgegangen sind.

Denn die europäischen Missionare brachten nicht einfach nur ihre Botschaft in Länder wie Indien, China und Japan und bekehrten dort fremde Menschen zu ihrem Glauben. Ihr Wirken löste auch Reaktionen aus. Alte Traditionen, die schwach geworden waren, wurden wieder kräftig. Vereinzelte Strömungen verbanden sich zu neuen Großgruppen. Kreative Mischungen wurden erfunden. So verwandelte sich der chinesische Buddhismus, der seine Glanzzeiten eher hinter sich hatte, im 20. Jahrhundert zu einer neuen Weltreligion, die auch in Europa und Nordamerika viele Anhänger gewann.

Oder der Hinduismus, von dem einige Religionsforscher behaupten, er wäre erst unter der britischen Kolonialherrschaft zur religiösen Gegenidentität Indiens geworden. Oder die Ahmadiyya-Bewegung, die Indisches und Muslimisches verband und schon in den 1920er Jahren die ersten Moscheen in Deutschland errichtete. Mission kennt eben nicht nur eine Richtung.

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Deshalb sollte man sich nicht darüber wundern, dass asiatische Religionen und Weltauffassungen längst auch in Deutschland Wurzeln geschlagen haben. Deutsche Missionare waren daran nicht unbeteiligt. Einige von ihnen übersetzten klassische Schriften aus dem Chinesischen, Japanischen oder Sanskrit ins Deutsche oder brachten Bilder von asiatischer Kult-Kunst nach Deutschland. Auch das ist Globalisierung. Religionen begeben sich auf die Reise, bringen ihre Ideen und Texte, Traditionen und Kunstwerke in andere Länder, gewinnen Menschen, die ganz anders geprägt waren, für ihre Sache. Es soll nicht despektierlich klingen, aber darin ist die Religion nicht so weit von der Gastronomie entfernt: Der Horizont weitet sich, die Töpfe enthalten nicht mehr nur die altvertraute Hausmannskost, der Tisch ist bunter gedeckt, "Exotisches" kommt hinzu und wird einem lieb. Das ist zunächst ein großer Gewinn. Denn so gewinnt man eine Ahnung von dem, was "Menschheit" bedeuten kann: eine unendliche Fülle von Möglichkeiten, eine Gemeinsamkeit in Vielfalt, ein Staunen über Fremdes und Nahes.

Damit lassen sich Geschäfte machen. Der Kunsthandel hatte es schnell bemerkt. Religiöse Kunst aus Asien – Buddhafiguren aus China, Tuschzeichnungen aus Japan – fand in Europa schnell einen hochinteressierten Markt. Sie blieb aber keine Sache des bloßen Konsums, sondern inspirierte europäische Künstlerinnen und Künstler in ihrer Arbeit, Grenzen der eigenen Herkunft und Prägung zu überschreiten. Die Klassische Moderne ist ohne die alte Kunst aus Asien oder Afrika nicht zu denken. Wenn Handel und Aneignung fair und gewaltfrei abliefen – was leider keineswegs immer der Fall war –, brachten sie beiden Seiten einen Gewinn.

"Kulturelle Aneignung" ist dann zu kritisieren, wenn anderen ein Kulturgut entrissen wird oder sie an dessen Vermarktung nicht angemessen beteiligt werden. Wenn ein fremdes Kulturgut aber zu einem gerechten Preis erworben, mit Respekt behandelt und seine Herkunft ausgewiesen wird, dann ist "kulturelle Aneignung" nur ein anderes Wort für "Kultur" überhaupt. Denn Kultur lebt vom Austausch. Insofern ist es ein Gewinn, wenn Kunstwerke asiatischer Religionen in Deutschland präsent sind, interessiert betrachtet werden oder den Anstoß für neue Kunst geben. Man würde sich nur wünschen, dass Menschen in Asien in ähnlicher Weise christliche Kunst aus Europa besäßen.

Doch Kulturgüter sind immer in der Gefahr, durch unbedachten Gebrauch ihre Bedeutung zu verlieren. Die Ethnologie spricht dann von "gesunkenen Kulturgütern". So kann man es inzwischen in jedem Asia-Imbiss, jedem zweiten Wellnesshotel, jeder dritten Sauna erleben: unablässig winkende Kätzchen, ungerührt lächelnde Buddhas, kunstvoll verrenkte Shivas, wohin man nur schaut. Keine authentischen Werke, sondern Massenware, nicht selten aus Plastik.

Warum nur sind sie so beliebt? Welcher Sinn wird mit ihnen verbunden? Dazu müsste man einmal eine Umfrage machen bei denen, die sie erwerben und aufstellen, und denen, die sie bei ihrem Saunagang oder Restaurantbesuch betrachten. Meine Vermutung ist: Allzu viel wird nicht nachgedacht. Eher dürften diese Bildklischees eine exotisch-touristische Geschmacksnote verbreiten und eine Auszeit vom modern-europäischen Alltag versprechen.

Die Buddhas aber könnten mit einer bestimmten Art von religiösem Empfinden assoziiert werden: Tief entspannt, vollkommen gelassen, innerlich gelöst versprechen sie einen Zustand, den sich dauergestresste Großstädter manchmal wünschten. Dabei blenden sie allerdings aus, dass der Buddhismus eine anspruchsvolle, anstrengende Angelegenheit ist, wenn man ihn denn ernst nimmt. Er lebt aus der Fähigkeit, sich aus den Stricken des eigenen Begehrens zu lösen – ja, selbst den eigenen Willen, das eigene Ich "zu lassen". Das ist für heutige Konsumenten kaum möglich, ja unerhört. Deshalb müssten sie, wenn sie nur genau hinschauten, in einer authentischen Buddhafigur das Gegenbild ihres eigenen Lebensentwurfs erkennen.

Ein solcher echter Buddha aber wäre einem authentischen Bild des gekreuzigten Christus sehr ähnlich, nämlich ein Symbol dafür, dass wir unser Leben nur gewinnen, wenn wir es verlieren. Das ist eine tiefe Grundwahrheit dieser beiden Religionen, für viele Zeitgenossen aber ein womöglich unerschwinglicher Gedanke.

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