Sind Sie Single und für den Job in eine fremde Stadt gezogen, in der Sie keine Freunde haben? Dann kennen Sie vielleicht dieses nagende Gefühl: die Angst vor dem Wochenende. Mich hat sie monatelang geplagt, als ich für eine neue Stelle umgezogen bin. Ich bin einem Sportverein beigetreten, habe mich auf Dating-Apps und in Nachbarschaftsgruppen angemeldet. Gebracht hat alles nichts - außer ein paar Verabredungen zum Spazierengehen. Aber auch da war kaum jemand mit Freundschaftspotenzial dabei. Ich war viele Wochenenden allein.
Die Leute, die ich wirklich sympathisch fand und bis heute finde, waren meine Kolleg*innen. "Das ist verständlich", sagt Wolfgang Krüger. Er ist Psychotherapeut und berät, forscht und schreibt zum Thema Freundschaften. "Freundschaften unter Kollegen sind vor allem dann beliebt, wenn der Beruf Herzensangelegenheit ist, also mehr als nur Geld verdienen", sagt er. In diesem Fall teilten Kolleg*innen gemeinsame Werte und eine Erfahrungswelt. "Nur ein Schriftsteller weiß, wie es sich anfühlt, vor einem leeren Blatt zu sitzen. Es wird ihm guttun, mit anderen Schriftstellern über dieses Gefühl zu sprechen, weil sie ihn verstehen werden", sagt Wolfgang Krüger.
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Nun bin ich keine Schriftstellerin, aber auch ich habe das Gefühl, dass die Leute im Büro mich oft besser verstehen als die, die ich außerhalb der Arbeit neu kennenlerne. Trotzdem habe ich mich anfangs nicht getraut, Kolleg*innen auf ein Feierabendbier einzuladen. Ich war die Neue, wollte mich nicht aufdrängen, aber vielmehr hatte ich Angst: Was, wenn ich zu viel Privates erzähle und sie mich damit in die Pfanne hauen? Waren diese Sorgen übertrieben?
Grundsätzlich, sagt Freundschaftsexperte Krüger, könnten Berufsfreundschaften etwas Großartiges sein. Sie spenden Kraft, gerade dann, wenn der Beruf unter die Haut geht. Aber es sei ratsam, sich mit den Freundschaften am Arbeitsplatz Zeit zu lassen. Wolfgang Krüger: "Beschnuppern Sie sich zuerst, gönnen Sie sich eine Testphase und hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Ist mir der andere ehrlich sympathisch, wie reagiert er auf meine Fragen, wie finde ich seine Antworten, fühle ich mich verstanden und erzählt mein Gegenüber auch von sich? Haben wir einen ähnlichen Humor?"
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Tipps
Hier noch einige Tipps von Sabine Hommelhoff, wie man zu einer guten Stimmung am Arbeitsplatz beitragen kann, ohne sich gleich mit allen anzufreunden:
- Auch in stressigen Situationen freundlich bleiben. Zeit für ein Dankeschön sollte immer drin sein.
- Die Dinge mit Humor nehmen. Das bedeutet nicht, immer zwanghaft gut gelaunt zu sein. Aber wer eine positive Art und Grundeinstellung hat, steckt auch andere damit an.
- Überarbeitung vermeiden. Wer total erschöpft ist, wird andere nicht unterstützen können und ist gereizter. So werden Konflikte wahrscheinlicher.
- Einen Vertrauensvorschuss geben. Damit ist die innere Grundhaltung gemeint, dass die anderen bei der Arbeit ihre Sache schon gut machen werden und es gut mit einem meinen.
- Schon im Bewerbungsprozess die Erwartungen abfragen. Wer Berufliches und Privates strikt trennen möchte, sollte dafür sorgen, nicht in Abteilungen zu geraten, in denen Arbeit und Privates häufig vermischt werden, beispielsweise weil regelmäßige Teamabende Pflicht sind.