chrismon: Was ist verrückt an unserer Arbeitswelt?
Peter Wehmeier: Zeitliche und räumliche Grenzen lösen sich auf, Menschen sind 24/7 auf Sendung und entsprechend angespannt. Die globale Wirtschaft erfordert, dass wir zu allen Zeiten erreichbar sein müssen, beispielsweise für Videokonferenzen. Es gibt immer weniger feste Strukturen. Wir müssen immer mehr Energie aufwenden, um bei einer Sache zu bleiben und uns darauf zu fokussieren. Vielen fällt es schwer, das wirklich Wichtige zu erkennen und von dem zu unterscheiden, was ihnen gerade als "dringend" verkauft wird.
Ihr Buch heißt ja "Globale Psychose" …
… das will ich als Chiffre verstanden wissen. Das Wort "Psychose" kommt ursprünglich aus der Psychopathologie. Ich meine damit einen Realitätsverlust. Die Ich-Grenzen lösen sich auf, wir können uns immer schlechter schützen vor den vielen Reizen, die auf uns einprasseln. Das Private wird öffentlich, und das Öffentliche wird zum Privaten. Jüngere Patienten sagen mir, wenn sie nicht innerhalb von einer halben Stunde auf eine Mitteilung in den sozialen Medien reagieren, seien sie abgemeldet. Die Menschen werden immer dünnhäutiger und reagieren empfindlicher. Unser Denken wird zunehmend durch unsere Affekte bestimmt.
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