Nur über Politik und "die da oben" zu schimpfen, ist blöd. Als Mitglied von der Bürgerlobby Klimaschutz spreche ich direkt mit Bundestagsabgeordneten. Nach so einem Lobbygespräch habe ich oft ein Hochgefühl. Ich erlebe, dass sie wirklich an einem Austausch interessiert sind.
Abgeordnete haben ja einen vollen Terminkalender, treffen sich regelmäßig mit Leuten aus der Wirtschaft. Wir als Bürgerlobby Klimaschutz sind ein Gegengewicht zu all den Firmen und Verbänden, wir machen das ehrenamtlich. Wenn sie dann mit uns als "normalen Bürgern" reden, gibt es oft so einen Aha-Moment: "Eigentlich mache ich ja für euch Politik!"
Es ist hilfreich, Brücken zu bauen
Viele denken über die Leute in der Politik, dass sie abgehoben seien, dass sie im Laufe der Zeit automatisch korrupt werden. Aber ich bin überzeugt, dass die meisten wirklich angetreten sind, um sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Die Idee von Bürgerlobby Klimaschutz ist: Jeder Wirtschaftsbereich hat seine eigene Lobby, das Klima hat keine, also müssen wir das machen. Die lokalen Gruppen in Deutschland sind Teil einer weltweiten Bewegung.
Ich lebe im Landkreis Rostock. Wenn ein Gespräch ansteht, schauen wir uns die Medienberichte zu der Person an, recherchieren ihr Abstimmungsverhalten, gucken, ob sie eher förmlich kommuniziert oder mehr persönlich angesprochen werden kann. Und dann überlegen wir, wer zu dem Gespräch geht.
Wenn ich weiß, da ist eine gerade Oma geworden, dann rede ich mit der auch über meine Tochter und wie sie mich motiviert, mich für das Klima einzusetzen. Es ist total hilfreich, solche Brücken zu bauen. Und für die Abgeordneten ist es auch schöner, wenn es Anknüpfungspunkte gibt und dadurch ein gutes Gespräch.
Manchmal werde ich ungeduldig, wenn die Abgeordneten zu viel reden und uns nicht zu Wort kommen lassen. Witzig ist, wenn sie uns für ihre Zwecke einspannen wollen – zum Beispiel darum bitten, dass wir Werbung für eine bestimmte Veranstaltung machen. Da bin ich dann sehr klar, denn das ist nicht unsere Rolle.
Vielen reicht Demonstrieren nicht mehr
Früher war Klima eigentlich gar nicht so das Thema für mich. Nach der Geburt meiner Tochter 2019 ist es mir wichtiger geworden. Als sie etwas größer war, so dass ich mich auch abends wieder in Gruppen treffen konnte, suchte ich einen Bereich, in dem ich mich engagieren kann.
An der Bürgerlobby mochte ich, dass ich da nichts Neues aufbauen musste, sondern einfach einsteigen konnte und mit tollen Menschen zusammen wirksam sein kann. Ich merkte bald, dass das total mein Format ist. Mittlerweile ist es mein Hobby, das einzige, das ich neben der Erwerbsarbeit und dem Elterndasein schaffe.
Wenn ich meiner Mutter am Telefon erzähle oder meinen Nachbarn, dass ich heute nicht zum Gartentreffen kommen kann, dass ich ein Gespräch mit einem Bundestagspolitiker habe, dann kommt nicht selten die Reaktion: "Ach, man kann mit denen einfach reden?"
Seit ich bei der Bürgerlobby Klimaschutz mitmache, fühle ich mich nicht mehr so ohnmächtig. Ich habe Einfluss über meinen persönlichen Lebensstil hinaus, kann etwas verändern, zusammen mit den anderen Aktiven.
Aus AfD-Gesprächen geht man ratlos raus
Das hat mir auch nach der Bundestagswahl geholfen. Das Ergebnis hat mich trotz aller Vorahnung geschockt – in unserem Bundesland haben 35 Prozent AfD gewählt. Wir haben dann gemeinsam über Ängste gesprochen, Frust abgelassen, Mut gesammelt und sind gleich wieder ins Handeln gekommen. Es sind nun weniger Abgeordnete, mit denen wir weiter arbeiten können. Das ist bitter.
Einige bei uns sagen: Natürlich müssen wir auch mit Abgeordneten der AfD in Austausch treten. Aber grundsätzlich wollen und müssen wir uns auf diejenigen konzentrieren, bei denen wir das Gefühl haben, wir können konstruktiv zusammenarbeiten.
Wir wissen aus bisherigen AfD-Gesprächen, dass man da oft ernüchtert oder aufgewühlt bis ratlos rausgeht. Mit jemanden reden, der den menschengemachten Klimawandel leugnet oder nicht problematisch findet – wo will man denn da anfangen?
Aus meiner Sicht ein Hoffnungszeichen: Seit der Wahl haben wir mehr Anfragen denn je, viele Menschen wollen bei der Bürgerlobby Klimaschutz mitmachen. Ihnen reicht Demonstrieren nicht mehr. Demokratie braucht Menschen, die sich selber einbringen.



