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Erinnern Sie sich noch an den Streit um das sogenannte "Heizungsgesetz"? Die "Ampel"-Koalition in Berlin und der zuständige Minister Robert Habeck hatten es versäumt, den Menschen in Ruhe zu erklären, was auf sie zukommen würde. Gleichzeitig taten Lobbyisten, die weiterhin Kohle und Gas an Haushalte verkaufen möchten, alles dafür, das Vorhaben zu diskreditieren. Unter den Folgen leiden wir bis heute: Es gilt inzwischen als schick, gegen Klimaschutzprojekte zu mobilisieren, sobald sie konkret werden.
Doch was man aus diesem Desaster lernen kann, ist auch klar: Keine der vielen Wenden (Energiewende, Mobilitätswende, Wärmewende…) wird gelingen, wenn die Kommunikation schlecht ist und die Menschen sich überrumpelt fühlen.
Lesen Sie hier: Wie der EU-Emissionshandel schon bald unser aller Leben verändern wird
Und das könnte erneut passieren. Mein Tipp: Es geschieht bei der Ausweitung des EU-Emissionshandels, der ab 2027 viel stärker als bisher in unser Leben eingreifen und fossile Brennstoffe (auch Diesel und Benzin) deutlich verteuern dürfte. Bislang wird darüber leider kaum berichtet, die politischen Debatten sind gefangen im Hier und Jetzt. Und das droht auch bei der kommunalen Wärmplanung.
Was ist das? Da die Wärmeversorgung in Deutschland mehr als 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs ausmacht, einen Großteil der CO2-Emissionen verursacht und klimaneutral werden muss (nebenbei bemerkt, um auch unabhängig von Energieimporten aus autoritären Staaten zu werden), müssen Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern bis zum 30. Juni 2026 einen Wärmeplan erstellen. Kleinere Kommunen haben mehr Zeit – bis zum 30. Juni 2028. Einige Bundesländer und Städte sind bereits auf dem Weg, aber Hand aufs Herz: Wissen Sie, wie weit die Planungen an Ihrem Wohnort gediehen sind?
In Malchin, einer Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, ist der Anfang gemacht. Allerdings war das Format dort ungewöhnlich: Im Februar und März erarbeitete ein Bürgerrat Empfehlungen. Zu diesem Thema war es der erste seiner Art in Deutschland. Organisiert und veranstaltet wurde er von der "Initiative Zukunftshandeln MV". Die Gespräche wurden von drei Mitarbeitenden moderiert, darunter Uta Rüchel, Soziologin, Supervisorin und Coach. Sie ließ sich vom irischen Weg inspirieren, denn in Irland konnten hochstrittige Themen, etwa zum Abtreibungsrecht, in den vergangenen Jahren befriedet werden. "Menschen entscheiden in Bürgerräten viel progressiver als erwartet", sagt Uta Rüchel.
Diese Erfahrung machte sie auch in Malchin. Doch der Reihe nach, denn ein Bürgerrat entsteht nicht aus dem Nichts. Zunächst mussten Einwohner aus dem Melderegister gelost werden, wobei einige Kriterien galten: Der Bürgerrat sollte je zur Hälfte aus Männern und Frauen bestehen, ältere wie jüngere Menschen einbeziehen, und alle Ortsteile Malchins sollten vertreten sein. 65 Personen wurden eingeladen, 18 nahmen teil.
"Man kann sicher einwenden, dass auch in einem Bürgerrat nicht alle repräsentiert sind - und dass Menschen, die sich komplett von der Demokratie abgewandt haben, nicht mitmachen", sagt Uta Rüchel. Sie fragt jedoch auch: Sollte man nicht gerade in Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck steht, jede Chance nutzen, um Menschen an der Politik zu beteiligen?
Eine weitere wichtige Etappe des Malchiner Bürgerrates war es, eine klar und konkret formulierte Frage zu definieren. Wenn Themen zu allgemein gehalten sind – zum Beispiel: "Deutschlands Rolle in der Welt" – fällt es schwer, konkrete Ideen zu entwickeln. Schließlich lautete die Leitfrage in Malchin: Wie soll die künftige Wärmeversorgung Malchins auf Basis erneuerbarer Energien aussehen?
Braucht man dafür nicht viel Detailwissen? Ja! Deshalb wurden Expertinnen und Experten eingeladen, die den Teilnehmenden Informationen lieferten: Welche Energiequellen kommen infrage? Wie funktioniert ein Nahwärmenetz? Was sind die Vor- und Nachteile einzelner erneuerbarer Energiequellen?
Später ging es – an insgesamt vier Abenden – auch um Detailfragen, die durchaus Konfliktpotenzial hatten. Zum Beispiel: Wer sollte an ein Nahwärmenetz angeschlossen werden? Alle Haushalte? Uta Rüchel bemerkte, wie hilfreich es sein kann, wenn Menschen in einem moderierten Gespräch einander zuhören, selbst wenn sie unterschiedliche Interessen vertreten. "Mieter argumentierten zum Beispiel ganz anders als Eigentümer." Die Moderatorin sieht darin bereits einen Gewinn für eine Gesellschaft, die sich daran gewöhnt hat, die eigene Perspektive zur absoluten Wahrheit zu erklären.
Am Ende des Bürgerrates stimmten die Teilnehmenden über Empfehlungen ab, die dokumentiert und dem Bürgermeister übergeben wurden. Dabei gingen die Laien erstaunlich ins Detail, empfahlen beispielsweise mehrheitlich schwimmende Photovoltaikanlagen auf Wasserflächen. Eine große Mehrheit sprach sich zudem dafür aus, dass ein Nahwärmenetz so gestaltet wird, dass sich Menschen finanziell beteiligen können – etwa in Form einer Genossenschaft.
Vier Abende "nur", und dennoch zeigen die Ergebnisse: Damit sich Menschen von der Transformation hin zur Klimaneutralität nicht überrumpelt, sondern mitgenommen fühlen, sind Bürgerräte ein tolles Instrument!