Im Sommer 2024 erlebte Sizilien die schlimmste Dürre seit 20 Jahren. Die Stauseen trockneten bis zum Grund aus. Zwei Millionen Menschen waren von Wasserrationierungen betroffen.
Jeden Tag fuhr Rinderzüchter Liborio Mangiapane frühmorgens mit dem Tanklaster zur Wasserstelle, um die Tränken seiner Tiere auffüllen zu können. An manchen Tagen, sagt er, reichte das Wasser nicht mehr, um sich selbst noch zu duschen.
In fünfter Generation betreibt der 61-Jährige die Zucht der dunkelbraunen Modicana-Rinder und eine Käseproduktion. In den Dürreperioden geht es nicht nur ums Überleben seines Hofs, sondern einer ganzen Region. "Wenn die Bauern von Sizilien fallen, fällt die Insel", sagt der Landwirt.
Auch 2025 erreichen die Temperaturen Höchstwerte, am Tag des Besuchs bei Liborio Mangiapane ist es 40 Grad heiß.
chrismon: Wie ist die Lage auf Ihrem Hof im Moment?
Liborio Mangiapane: Was die Wasserprobleme betrifft, hat sich nichts verbessert. Im Winter hat es zwar etwas geregnet, dadurch konnten wir immerhin Futter einfahren, aber es wird nichts getan, um die Stauseen wieder aufzufüllen. Ich verstehe, dass man so eine Situation nicht von heute auf morgen lösen kann. Aber das wenige Wasser, das als Regen auf die Insel fällt, sollten wir wenigstens speichern können.
Wie viel Wasser bekommen Sie derzeit?
Durch die Leitungen sollte eigentlich einmal pro Woche Wasser fließen – meistens montags. Aber inzwischen kommt gar nichts mehr. Mit jedem Sommertag wird das Wasser knapper. Der Stausee speichert kaum mehr Wasser, wegen der Hitze und des ausbleibenden Regens.
Was ist das Problem?
Die hohen Temperaturen, aber auch die schlechte Infrastruktur. Es gab einen Staudamm in Castelvetrano im Norden der Insel, der so stark beschädigt war, dass das Wasser ins Meer abgelassen wurde. So etwas darf nicht passieren. Hier haben wir kein Problem mit den Leitungen, aber im Rest der Insel sind sie meistens kaputt.
Wie war es im Winter?
Der Regen hat gerade gereicht, um die Felder feucht zu halten, nicht mehr. Den ganzen Winter über bin ich am Morgen los, um Wasser fürs Vieh zu holen. Ohne den Bauernverband Coldiretti und die Lieferung von Futtermitteln hätte der Hof im vergangenen Winter nicht überlebt.
Letztes Jahr haben Sie im Gemüsegarten hinter dem Haus Paprika angebaut. Und 2025?
Früher wuchsen hinter dem Haus Wassermelonen, Zucchini und Auberginen. Ein bisschen von allem, was wir für den Eigenbedarf brauchten und im Winter zu Soßen einkochten. Dieses Jahr habe ich darauf verzichtet. Nur die hitzeresistente Tomate, die mit wenig Wasser auskommt, habe ich gepflanzt.
Liborio Mangiapane
Wie geht es Ihrem Vieh, Ihren Pflanzen?
Den Tieren geht es gut, aber wir haben dafür große Opfer gebracht. Jede Stunde, jeden Tag war ich im vergangenen Jahr damit beschäftigt, Wasser zu bringen, die Tiere in der Hitze zu versorgen, Strategien zu entwickeln, weiter Hoffnung zu finden und den Hof nicht aufzugeben. Wir sind froh, dass wir die Dürre 2024 überstanden haben und kein Tier schlachten mussten, doch in diesem Jahr haben wir auch eine Dürre. Viele Bauern hatten keine andere Wahl – ihnen fehlte das Wasser, um ihre Tiere zu tränken oder Futter anzubauen. Für uns würde eine Schließung bedeuten, den Hof aufzugeben, den unsere Familie seit fünf Generationen führt.
Was hat sich seit Ihrer Kindheit verändert?
Es riecht anders. Ich erinnere mich noch, wie wir als Kind im Frühling mit der Schule einen Ausflug machten, in den Wald. Da roch es nach Ginster. Das riecht man heute gar nicht mehr. Auch optisch hat sich die Landschaft verändert. Damals waren die Felder unaufgeräumt, wild und lebendig, weil alles von Hand gemacht wurde. Die Maschinen, die später kamen, brachten Ordnung und Effizienz, doch damit verschwand auch der Duft.
Mitte Juni wurden drei mobile Entsalzungsanlagen auf die Insel geliefert, sie sollen Salzwasser aus dem Meer trinkbar machen. Kann das eine Lösung für den Wassermangel sein?
Die Entsalzungsanlagen haben sich in der Vergangenheit als wenig praktikabel erwiesen. Auch weil das Wasser in den Leitungen verloren geht und sie wegen der hohen Kosten schnell wieder geschlossen wurden. Ich denke, bis sie fertig installiert werden, ist der Patient schon gestorben. Wir müssen das Wasser in den Bergen finden und nach Quellen bohren, das haben wir doch früher auch gekonnt.
Fühlen Sie sich von der Politik gehört?
Schon im Januar habe ich gesagt, wir Bauern müssen in diesem Jahr das Saatgut früher aussäen und Druck auf die Politik machen, denn falls es wieder nicht regnet, haben wir die gleiche Situation wie vor einem Jahr. So ist es jetzt leider gekommen.
Gibt es konkrete Hilfen?
Vom Landwirtschaftsverband haben wir Ende des Sommers 2024 Futter für die Tiere bekommen, das kam aus dem Norden Italiens. Damit konnten wir den Winter überstehen, auch weil Anfang des Jahres die Weiden wieder nutzbar wurden und wir die Tiere auf die Felder bringen konnten. Doch wirtschaftliche Entschädigungen von der Lokalregierung gab es nicht.
Was bedeutet Wasser für Sie?
Wasser heißt Leben. Nicht nur weil es in dieser Zeit der Knappheit gebraucht wird. Ohne Wasser endet alles: die Kulturen, die Lebewesen – jede Form des Lebens. Ohne Wasser ist nichts.
Haben Sie das Gefühl, dass jetzt mehr Menschen auf der Insel etwas gegen die Verwüstung unternehmen?
Ja, diese Kraft ist da. Jetzt liegt es an uns. Das letzte Jahr hat mir gezeigt, dass man alles überstehen kann, wenn man nicht aufgibt.
Sizilien erlebt 2025 ein weiteres Dürrejahr. Von den sieben wichtigsten Stauseen der Insel ist nur noch einer nennenswert gefüllt. Insgesamt speichern die Reservoirs derzeit lediglich rund 370 Millionen Kubikmeter Wasser – bei einer Gesamtkapazität von etwa 950 Millionen Kubikmetern. Laut dem Nationalen Statistik-Institut Istat geht über die Hälfte des Grundwassers in den maroden Leitungen verloren, die seit Jahren ausgewechselt gehören. Immer wieder versprechen die Bürgermeister, wie im Juli 2025 in Caltanissetta, das Wassernetz auszubauen, doch die Reparaturen gehen nur schleppend voran.
Eine Entsalzungsanlage kann, einmal zusammengebaut, rund 40.000 Menschen versorgen, drei wurden gerade angeschafft, insgesamt reicht das für gut 120.000 Personen. Das kann nur eine von vielen Maßnahmen sein, den Wassermangel zu verbessern – auf Sizilien leben rund 4,8 Millionen Menschen, die Touristen und Touristinnen nicht mitgerechnet.