Moore neu beleben
Zauberkünstler für den Klimaschutz
Moore binden Treibhausgase im Boden, bieten Schutz für bedrohte Tiere und Pflanzen. Dafür müssen sie zum Leben erweckt werden. Das unterstützt der BUND
Himmelmoor, Schleswig-Holstein
Bis 2018 wurde hier Torf abgebaut, Kohlenstoffdioxid gaste aus. Jetzt speichert das Himmelmoor in Schleswig-Holstein die Treibhausgase, die Biodiversität kehrt zurück
Jörg Modrow/laif
Tim Wegner
21.08.2024
2Min

Moore! Die erste Assoziation bei vielen Menschen ist weniger Begeisterung denn ein leichtes Gruselgefühl: Nebel, Moorleichen, matschiger Boden, in den wir beim Wandern tief einsinken.

Tobias Witte erzählt ganz andere Dinge über diese so besondere Welt in unserem Ökosystem. Witte, Jahrgang 1985, ist Geograf, mit bodenkundlichem Schwerpunkt. Während seiner Studien war er oft draußen unterwegs, hat trockengelegte Moore gesucht und bei der sogenannten Wiedervernässung geholfen. Heute ist er "Moorreferent" vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., kurz BUND, betreibt viel Lobbyarbeit und weiß: "Ohne die Renaturierung unserer Moore werden wir unsere Klimaziele niemals erreichen."

Lebendige Moore sind wahre Zauberkünstler im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Auf nur etwa drei Prozent der globalen Landfläche binden sie 30 (!) Prozent des gesamten im Boden gelagerten Kohlenstoffs. Doppelt so viel, wie weltweit in der Biomasse aller Wälder gespeichert ist. Doch während der Schutz von Wäldern längst gesellschaftlich breit diskutiert wird, rücken Moore erst seit kurzem ins Bewusstsein: "Endlich!", sagt Tobias Witte.

Gut fünf Prozent der deutschen Landfläche sind oder waren mal ein Moor. Waren - weil die weitaus größte Anzahl deutscher Moore, gut 90 Prozent, längst "tot" ist, mit Entwässerungsgräben durchzogen und mit ihrem nun trockenen Boden nutzbar für die Landwirtschaft oder den Torfabbau. So wird aus dem Klimaschützer Moor ein Klimakiller, denn aus dem getrockneten Torf gasen oft über Jahrhunderte gebunkerte schädliche Treibhausgase aus. Und deshalb, so Tobias Witte, müssen wir die Moore wieder zum Leben erwecken.

Jede Renaturierung beginnt mit einer sogenannten Wiedervernässung, meist reicht es schon, die Wassergräben zuzuschütten, vielleicht auch das Gelände "einzuwallen", beschreibt es Witte. Es dauert einige Jahre, bis aus dem trockenen Moor wieder ein Lebensraum für Moorfrosch oder Moosbeere wird, nur ein Beispiel für gefährdete Tiere und Pflanzen. Und es kostet Geld, oft viele Tausend Euro pro Hektar. Ohne öffentliche Förderprogramme, auch mit EU-Geldern oder eben auch Spenden, so Tobias Witte, werde das nicht gehen. Schließlich müssten auch die Landwirte entschädigt werden, weil sie ihre Flächen nicht mehr nutzen können.

Dabei gibt es dafür auch Ideen: Wasserbüffel könnten das traditionelle Milchvieh ersetzen. Sie produzieren die Milch für hochpreisigen Büffelmozzarella. Schilfanbau ist eine weitere Möglichkeit. Fast 90 Prozent des in Deutschland genutzten Schilfs für Reetdächer oder Dämmmaterial komme heute aus dem Ausland, weiß Tobias Witte: "Warum produzieren wir das nicht lokal?"

Und was ist mit den so gruseligen Moorleichen? Die gibt es. Und sie sind wertvolle Funde für alle "archäologisch Begeisterten", sagt Witte. Aber die meisten dieser Menschen seien nicht versunken, sondern schon tot ins Moor gebracht worden. Und sowieso gelte: "Kein Tier ist so blöd, läuft in ein tiefes Moor und versinkt." Also könnten auch Menschen einfach etwas aufpassen und dieses wunderbare Werk der Natur genießen.


Infobox

Dieses Projekt ist eines von sechs, das Sie in unserem chrismon-Spendenabo "doppeltgut" auswählen können. Hier finden Sie eine Übersicht über alle Projekte.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.