Landtagswahl in Brandenburg 2024
Die graue Macht
Die AfD feiert Erfolge, fast 30 Prozent in Brandenburg. Aber es gibt eine Altersgruppe, die der Partei widersteht
Dietmar Woidke, Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender Brandenburg, spricht beim Strohballenfest mit Besuchern der Wahlkampfveranstaltung. Bis zum 29. August ware 24 Strohballenfeste im Land Branden
Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, auf einer Wahlkampfveranstaltung
Frank Hammerschmidt / picture alliance / dpa
Tim Wegener
23.09.2024
2Min

Man braucht es nicht schönzureden: Der neuerliche Erfolg der AfD (29,2 Prozent) bei der Landtagswahl in Brandenburg ist ein Schlag ins Gesicht aller Demokraten. Noch mal zur Erinnerung: Der Verfassungsschutz stuft den Landesverband der AfD in Brandenburg als "rechtsextremistischen Verdachtsfall" ein und sechs AfD-Landtagsabgeordnete sogar als "gesichert rechtsextrem". Also nicht nur "ein bisschen konservativer" als die anderen Parteien, sondern demokratiefeindlich.

Trotzdem gehen ihren menschenfeindlichen Parolen immer mehr Menschen auf den Leim – und zwar in nahezu allen Altersgruppen. Daran ändert auch ein Pyrrhussieg der SPD nichts, die sich jetzt höchstens in ein fragwürdiges Bündnis mit der Partei von Sahra Wagenknecht (Bündnis Sahra Wagenknecht) retten kann.

Die vermeintliche Gewissheit, dass ein Rechtsruck verhindert wird, wenn nur ausreichend viele junge Wähler und Wählerinnen ihre Stimme abgeben, ist nun zum dritten Mal erschüttert worden und endgültig passé. Junge und bisherige Nichtwähler machen ihr Kreuz bei den rechtsextremen Verdachtsfällen.

Dass es nicht zu einer Vollkatastrophe gekommen ist, ist einer anderen Bevölkerungsgruppe zu verdanken, die Ü70-Wählerinnen und -Wähler. Bei den vergangenen fünf Wahlen in Deutschland (Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen 2024 und Landtagswahlen in Bayern und Hessen 2023) sowie bei der vergangenen Europawahl waren sie die Gruppe mit dem geringsten Stimmenanteil bei der AfD. Jetzt in Brandenburg haben gerade einmal 17 Prozent der Seniorinnen und Senioren die Rechtspopulisten gewählt. Ja, auch dort sind es mehr geworden (+4 Prozent im Vergleich zu 2019), aber insgesamt trotzdem fast nur halb so viele wie in allen anderen Altersgruppen (28 bis 34 Prozent).

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Woran das liegt, muss genauer untersucht werden. Wird nicht oft gesagt und geschrieben, dass viele Ostdeutsche immer noch mit den Folgen der Wiedervereinigung zu kämpfen haben, dass viel Frust, Enttäuschung und auch Hass auf "die da oben" von diesem Bruch in ihrem persönlichen und politischen Leben herrührt? Ja, dass dieser Frust auch einer der Gründe für das Erstarken der AfD ist? Aber müsste das dann nicht besonders auf die über 70-Jährigen (die 1989 nämlich mindestens 35 Jahre alt waren), zutreffen?

Aber gerade die Senioren sind offenbar am widerstandsfähigsten gegen die Parolen der AfD. Man könnte es also so interpretieren, dass sie sich noch sehr gut an die Diktatur in der DDR erinnern und die Errungenschaften der Demokratie besser wertschätzen können als die Jüngeren, weil sie den Vergleich kennen und wissen, was Unfreiheit wirklich bedeutet. Und das womöglich trotz der persönlichen Verlusterfahrungen nach dem Mauerfall.

Vielleicht sollten wir heute also mal alle den Rentnerinnen und Rentnern dankbar sein, dass sie die Demokratie am Leben erhalten! Dafür gebührt ihnen Anerkennung.