Ich habe mir viele Gedanken gemacht, ob ich den Einsturz der Brücke in Dresden thematisieren soll. Als ich mich mit einer Person unterhielt, die viel mit jungen Menschen arbeitet und für mehrere hundert Fachkräfte Leitungsverantwortung hat, wurde mir schnell deutlich, dass ich die Brücke sinnbildlich aufgreifen muss.
Ich saß mit der Person in Potsdam zusammen - kurz vor der Landtagswahl in Brandenburg. Die Straßen waren voller Plakate und Aufkleber, die sich gegen die AfD, gegen eine ausgrenzende, rassistische Politik wenden. Außerhalb von Potsdam sei das ganz anders, sagte die Person, mit der ich mich unterhielt. Sie erlebe bei den jungen Menschen, dass diese sich entweder als "rechts" oder als "links" positionieren.
Also eine Entweder-oder-Situation - ohne Option dazwischen. Was könnte das Verbindende sein? Mit welcher "Brücke" könnte etwas Gemeinsames, eine Mitte entstehen? Und was bedeutet es, wenn wir eine solche Verbindung nicht schaffen können?
In Potsdam fand gerade ein Bundeskongress für Kinder- und Jugendarbeit statt. Viele Fachkräfte aus den ostdeutschen Regionen erzählten, dass sie sich in einer schwierigen Situation befinden. Die meisten arbeiten in professionellen Situationen, die sich seit vielen Jahren kontinuierlich verschlechtern, kurz: immer weniger Zeit, Geld und Personal. Das heftigste Beispiel schilderte eine Person, die 30 Stunden in der Woche Schulsozialarbeit an einer Schule macht und mit zehn weiteren Stunden alleinige Verantwortung für zwölf Jugendclubs hat.
Unmöglich, unter diesen Bedingungen professionell zu arbeiten. Unmöglich, dass nicht mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden! Viele dieser Fachkräfte erzählten auch, dass junge Menschen zunehmend die AfD als die einzig richtige und relevante Partei wahrnehmen. Immer wieder war zu hören, dass dies geschätzt auf über 50 Prozent der jungen Menschen zutreffe, mit denen die Fachkräfte arbeiten.
Rechtsextremes, ausgrenzendes Gedankengut sickere immer selbstverständlicher in den Alltag ein. Die Fachkräfte schaffen es in ihrer Zeit mit den Jugendlichen nicht, Demokratiebildung zu ermöglichen. Denn sehr viel Zeit geht dabei drauf, den jungen Leuten dabei zu helfen, mit schwierigen Lebenslagen klarzukommen (zum Beispiel mit Armut, Ausgrenzung, Gewalt, Schulschwierigkeiten). Auch die Akquise von Geldern braucht Zeit, weil sich selbst kleine Beträge nur mühevoll beantragen lassen. Auch muss die eigene Stelle immer wieder neu beantragt werden.
Hier wird wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit für unsere Demokratie geleistet, doch viele arbeiten in prekären Situationen, weil nicht genug Geld in diese Arbeit investiert wird. Und die AfD beginnt nach ihren Wahlerfolgen nun, in den Kommunen die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit infrage zu stellen - mit dem Ziel, noch weniger Geld dafür auszugeben.
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Wie paradox, dass immer mehr junge Menschen just diese Partei wählen, die sich gegen die Arbeit mit jungen Menschen wendet! Zugleich wird es immer schwerer, ihnen zu erklären, dass die AfD keine Brücke baut, auch keine Brücke hin zu mehr Möglichkeiten in ihrem jungen Leben.
Überhaupt, die Brücke in Dresden. Aufgrund des vorhandenen Kenntnisstandes waren die verantwortlichen Ingenieure der Meinung, dass die Brücke nicht einsturzgefährdet ist. Es wird nun aber darüber diskutiert, ob die Bewertungsmethodik bei Brückenuntersuchungen in der gesamten Bundesrepublik bisher nicht ausreichend präzise gewesen ist. Anstatt zunächst innezuhalten, froh zu sein darüber, dass nur ein immenser materieller Schaden, aber keine Menschenleben zu beklagen sind, beginnt die AfD in kürzester Zeit ganz anders zu kommunizieren. In ihren Augen sind die regierenden, verantwortungstragenden Parteien Schuld an dem Unglück - nicht ein baulicher Zustand, der bei keiner TÜV-Untersuchung festgestellt wurde.
Mehr noch, sie unterstellen, dass es die Politik darauf abgesehen hatte, dass die Brücke kaputt geht. Das Unglück dient für die AfD als Instrument, erneut Misstrauen gegen demokratische Prozesse und Politiker*innen zu säen. Konkrete politische Verantwortungstragende werden namentlich angegriffen. Schon wenige Stunden nach dem Einsturz war das Internet voller Hetze und unwahren Kommentaren und Behauptungen. Es kommentieren viele Menschen, die durch Sachargumente nicht mehr erreichbar scheinen. Und sie kommentieren in einem Tonfall, den wohl die wenigsten zu Hause am Küchentisch zulassen würden.
So verdeutlich ausgerechnet die eingestürzte, kaputte Brücke, die verschiedene Seiten miteinander verbunden hatte, wie sehr wir Brücken in unserer Gesellschaft brauchen. Brücken des Miteinanders. In diese Brücken müssen wir sehr viel investieren.