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Bevor ich 2016 in eine Baugemeinschaft in Hamburg zog, wohnten wir mit unseren beiden Söhnen in einer sehr schönen Mietwohnung. Wir hatten nette Nachbarn und einen Gemeinschaftsgarten in zentraler Lage. Besser ging es nicht. Irgendwann saßen wir abends beim Wein und überlegten uns: Am besten wäre es, dieses Haus zusammen zu kaufen und hier unsere eigene Wohn- und Lebensgemeinschaft zu gründen.
Dazu ist es nie gekommen. Warum? Weil wir nicht mal ansatzweise wussten, wie man so etwas macht: Ein Mehrfamilienhaus gemeinschaftlich kaufen und verwalten. Nicht, um damit viel Geld zu verdienen, sondern um selbst darin zu wohnen, möglichst mit netter Hausgemeinschaft ...
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Hätte ich damals schon mit Robin Mohr gesprochen, wir hätten es vielleicht angepackt. Robin hätte uns damals an eine der größeren Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften vermittelt. Mit den dort arbeitenden Profis hätten wir ein Kaufangebot entwickeln und mit dem damaligen Hausbesitzer, einem freundlichen und liebenswerten alter Herrn, besprechen können. Vielleicht hätte er zugestimmt und das Haus wäre nicht, wie es dann geschehen ist, an einen fiesen Immobilienhai verkauft worden.
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Robin Mohr kennt Hausbesitzer, die dafür sorgen wollen, dass andere Menschen bezahlbar wohnen können: "Die wollen etwas Gutes tun mit ihrem Haus", berichtet Robin. Damit das möglich wird, gibt es in Frankfurt am Main die Genossenschaftliche Immobilienagentur mit Robin Mohr als Geschäftsführer, kürzer GIMA. Das Unternehmen sieht sich selbst als ein "Vermittlungs- und Beratungsunternehmen" mit einem gemeinwohlorientierten Ziel: die zum Kauf stehende Immobilie dauerhaft dem renditeorientierten Wohnungsmarkt zu entziehen. Eine Art ehrlicher Makler sozusagen.
Gegründet hat sich die GIMA Frankfurt vor einigen Jahren. Die Stadt Frankfurt hat sich an der Gründung beteiligt und unterstützt das Beratungsangebot weiterhin als Mitglied, allerdings ist die GIMA keine städtische Agentur. Sie wird finanziert und getragen von den Beiträgen ihrer Mitglieder, neben Wohnungsgenossenschaften oder dem hier in der Wohnlage schon mehrmals erwähnten Frankfurter Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen auch der Stiftung Trias. Und Robin Mohr ist, so erzählt er mir, immer weiter auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten, denn von den wenigen Prozenten, die die GIMA bei einer erfolgreichen Vermittlung als "Makler"firma bekommt, kann sie nicht leben.
Auch Berlin, Tübingen, Leipzig und München haben eine GIMA; es gibt enge Kooperationen mit dem Mietshäuser Syndikat und anderen gemeinwohlorientierten Akteuren auf dem Wohnungsmarkt. Hinzu kommen immer mehr Gründungen von sogenannten "Dachgenossenschaften", sprich: Es gibt Alternativen für alle Menschen, die nicht mitmachen wollen beim großen Immobilien-Monopoly.
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Vermittelt die GIMA auch Einfamilienhäuser? Selten, sagt Robin Mohr, aber möglich sei es schon. Der klassische Fall sei das Mehrfamilienhaus und dafür schlägt Mohr drei Möglichkeiten vor:
1. Die Menschen, die in dem Haus wohnen, gründen eine eigene kleine Genossenschaft und finanzieren den Kauf selbst. Schwierig, weil Genossenschaftsgründungen in Deutschland immer noch sehr bürokratisch sind und Gründungsgenossenschaften kein Eigenkapital haben - aber möglich.
2. Es findet sich, zum Beispiel mithilfe der GIMA, eine kleine, in der Region bereits bestehende Genossenschaft, die schon ein oder zwei Häuser besitzt und die wachsen und das Haus übernehmen will. In vielen Städten gründen sich dafür gerade sogenannte "Dachgenossenschaften", so auch eine im Rhein-Main-Gebiet.
3. Eine große, bestehende Genossenschaft aus der Region steigt ein und kauft - in den allermeisten Fällen die einfachste Lösung. Große Genossenschaften finanzieren sich über ihren Bestand, sprich sie können den Neubesitz leichter finanzieren.
Entscheidend in allen drei Fällen ist die Grundidee, dass der spätere Kaufpreis sich nicht an der größtmöglichen Rendite orientiert, sondern so kalkuliert wird, dass die Mieten vielleicht nur sehr moderat oder am besten gar nicht steigen müssen, gemeinwohlorientiert eben.
Mein Fazit nach dem Gespräch mit Robin Mohr: Es ist einfach viel mehr auf dem Wohnungsmarkt los, als wir es landläufig wahrnehmen.
Und weil ich gern auf gute Veranstaltungen hinweise: Am 18. März gibt es ein kostenloses Online-Webinar zu dem hier besprochenen Thema: Wie kann ich zum Beispiel das eigene Haus genossenschaftlich weiterentwickeln? Mit dabei: Die von mir geschätzte Wohnprojekte-Beraterin Angelika Majchrzak-Rummel.