Was hoffen Sie?
Jonas Grethlein: Meine Hoffnung reicht von kleinen Hoffnungen, etwa dass mir der nächste Espresso gelingt, bis zu ganz großen Hoffnungen, etwa dass in Israel irgendwann einmal Frieden herrscht.
Dass der Espresso gelingt? Ist das nicht eher ein Wunsch?
Ich würde schon sagen, dass das eine Hoffnung ist. Hoffnungen richten sich auf etwas Gutes in der Zukunft, das sowohl möglich als auch unverfügbar ist, also nicht in unserer Hand liegt. Und meine Espressomaschine ist etwas widerspenstig, deshalb liegt es nicht nur in meiner Hand, ob der Espresso gelingt.
Christen hoffen auf das ewige Leben. Kann man einen guten Espresso mit einer so großen Hoffnung vergleichen?
Ich sehe natürlich, dass man einen Espresso nicht mit dem Frieden vergleichen kann. Aber ich glaube, dass sich Hoffnung auf beides richten kann und dass sie gerade aufgrund ihrer ganz verschiedenen Gegenstände so wichtig ist. Hoffnung ist ein Weltverhältnis. Sie ist in unserer Offenheit zur Zukunft angelegt – Tiere folgen ihrem Instinkt, wir Menschen machen Pläne, wissen aber nicht, ob sie gelingen. Und deswegen hoffen wir. Noch bevor wir spezielle Hoffnungen haben, leben wir in einer Grundhoffnung, dass in der Zukunft gute Dinge möglich sind.
Lesetipp: Müssen Christen immer zuversichtlich sein?
Wenn sich Hoffnung immer auf etwas Mögliches richtet, wie ist das dann mit der christlichen Hoffnung auf die Auferstehung? Die richtet sich ja – soweit wir wissen – auf etwas Unmögliches.
Es geht nicht darum, dass sich Hoffnung nur auf Dinge richten kann, die objektiv möglich sind – wenn man das überhaupt feststellen kann. Es geht um das, was dem Menschen, der hofft, möglich erscheint. Wer auf die Auferstehung hofft, wer an Gott glaubt, wird sie auch für möglich halten.
Hoffen die Menschen mehr, wenn es schlecht um ihr Leben steht?
Ja, gerade in schwierigen Situationen hoffen wir, dass sich unsere Lage verbessert. Aber auch ohne Krise haben wir unsere Grundhoffnung und spezifische Hoffnungen. In Krisen dürfte die Hoffnung aber an Intensität gewinnen.
Mit Ende 20 haben Sie eine schwere Krebsdiagnose bekommen. Darüber haben Sie in Ihrem Buch "Mein Jahr mit Achill" geschrieben. Ist diese Erfahrung der Grund dafür, dass Sie sich mit der Hoffnung beschäftigen?
Damals habe ich natürlich intensiv gehofft, aber es gab auch hoffnungslose Momente. Und ich habe damals die Bedeutung von Hoffnung selber existenziell erfahren. Aber das Buch ist eher aus Beobachtungen in der Gegenwart entstanden.
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Hoffen und Harren hält den Menschen zum Narren
Das wußten schon die Steinzeitmenschen, weshalb sie ihre Höhlen verliessen und den Mammuts hinterherzogen.
Anderfalls wären sie verhungert. Gegen Hunger hilft Gottvertrauen nicht.
Hans Sachs im 16. Jahrhundert:
"Hoffen und Harren macht manchen zum Narren"