Zu jung fürs Altersheim
Ein Ort zum Bleiben
Es gibt wenige Orte, die sich nach den Bedürfnissen chronisch erkrankter Menschen richten. Das modellhafte Wohnprojekt Festland von Hamburg Leuchtfeuer ist so ein Ort. Die Organisation finanziert sich auch durch Spenden
Bewohner und Besucher auf der Dachterasse, die zum Wohnprojekt Festland gehört
Wohnprojekt Festland in der Hafencity: barrierefrei vom Müllabwurf bis zur Dachterrasse
Hendrik Lüders
Aktualisiert am 01.12.2024
2Min

Irgendwann hat sich Anna M. gefragt: "Wo soll ich in zehn Jahren eigentlich hin?" Für ein Altersheim war sie zu jung, und in ihrem früheren Kinderzimmer von den Eltern gepflegt werden, fühlte sich auch nicht richtig an. Anna M., 41 Jahre alt, hat das Ehlers-Danlos-Syndrom, eine erbliche Bindegewebs­erkrankung, mit der sie zunehmend auf Hilfe angewiesen ist. Weil ihr Magen-Darm-Trakt gelähmt ist, wird sie über einen zentralen Venenkatheter ernährt. "Früher hat es mich getröstet, dass ich wahrscheinlich eh nicht so alt werde", sagt sie. Dann erfuhr sie vom Wohnprojekt Festland.

Festland ist ein Haus mit 27 Wohnungen in der Hamburger Hafencity, in dem Menschen mit und ohne chronische Erkrankung in einer Hausgemeinschaft leben. Das Projekt gehört zu Hamburg Leuchtfeuer, einer gemeinnützigen Organisation, die feststellte, dass es in Hamburg ­keinen bezahlbaren Wohnraum für erwachsene chronisch erkrankte Menschen gibt. Also erarbeitete sie für diese Gruppe ein Konzept mit Modellcharakter.

Ende 2020 zogen die Ersten in ihr neues Zuhause im Quartier Baakenhafen ein: Familien, Paare und Einzelpersonen wie Anna M. Viele von ihnen haben Multiple Sklerose, HIV oder sind nach einem Schlaganfall auf Hilfe angewiesen. Ob Angehörige, Pflegedienst oder 24-Stunden-­Assistenz: Die Hilfe wird von jedem selbst organisiert, sagt Christian Kaiser-Williams, der Leiter von Festland. Er und seine Kollegin unterstützen auf Nachfrage.

Anna M. nutzt für längere Wege mittlerweile einen Rollstuhl. Das Haus ist vom Müllabwurf bis zur Gemeinschaftsküche barrierefrei und rollstuhlgerecht. Türen, die sich nur schwer öffnen lassen, gibt es nicht. Stattdessen: eine Dachterrasse mit Elbblick, höhenverstellbare Kochmöglichkeiten und wohnliche Flure, auf denen sich die Nachbarn gern begegnen. Anna M. gefällt, dass die Krankheit selbst nicht im Mittelpunkt steht, sondern das Mit­einander und die gegenseitige Unterstützung. "Man muss sich hier nicht erklären, sondern kann einfach so sein, wie man ist", sagt sie. Für viele eine neue Erfahrung.

Einmal im Monat laden Ehrenamtliche zum Frühstück ein, etwa zum Thema Bratapfel, erzählt Anna M. begeistert. Und man vergisst für einen Moment, dass sie ja gar nicht mitessen kann. "Aber ich kann was trinken, und ich genieße die Gemeinschaft!", sagt sie. Auch sonst gebe es tolle Angebote, für die sie nur runterzugehen brauche.

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Da sich das Projekt aus den überwiegend geförderten Mieten nicht selbst trägt, ist Festland dauerhaft auf ­Spenden angewiesen. Christian Kaiser-Williams und ­Anna M. hoffen, dass das Konzept Schule macht. "Der Bedarf ist riesig, die Warteliste lang", sagt der Leiter. Anna M. sagt: "Ich bin mehr als froh, dass ich ein Zuhause ge­funden habe, in dem ich bleiben kann." Sie möchte nie wieder weg.

Eine erste Version dieses Beitrags erschien am 5. Februar 2024.

Spendeninfo

Das Wohnprojekt Festland der gemeinnützigen Organisation Hamburg Leuchtfeuer ermöglicht chronisch erkrankten Menschen bezahlbar und in Gemeinschaft mit Menschen ohne Erkrankung zu leben. Ursprünglich gründete sich Hamburg Leuchtfeuer, um ein Netzwerk für Menschen mit HIV zu schaffen.
Spendenkonto: Hamburg Leuchtfeuer
IBAN: DE 38 2008 0000 0900 100 100
Stichwort: chrismon

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