chrismon: In welchen Momenten fühlen Sie sich lebendig?
Joachim Meyerhoff: Manchmal sitze ich irgendwo, schaue in die Gegend, und plötzlich beginnt etwas zu schweben. Dann fühle ich mich verbunden mit dem Gegenüber oder mit dem, was mich umgibt. Oder nach einer Vorstellung: Man hat es wieder geschafft, der Körper ist vom Adrenalin in so einer Wachheit. Über zweieinhalb Stunden bin ich in "Eurotrash" mit Angela Winkler auf der Bühne. Wenn ich am Ende mit ihr die Treppe hochgehe, reden wir noch kurz und sagen: "Heute war es so schön." Oder: "Heute war es ein bisschen seltsam" – da fühle ich mich sehr lebendig.
Haben Sie eine Vorstellung von Gott?
Mein Großvater war Philosoph und hat lange als Laienpriester gearbeitet, in seinem Arbeitszimmer hing ein großes, mittelalterliches Kreuz mit lauter Wurmstichen. Der strenge, strafende, überwachende Gott, der mich überwacht – das war mein erstes Gottesbild. Dann verunglückte mein mittlerer Bruder bei einem Autounfall, im Gebet konnte ich ihm nahe sein. Eine sehr emotionale Phase, ich hatte oft ein großes Glaubensgefühl. Umso irritierender war es für mich, dass sich das auf der Schauspielschule verflüchtigte. Ich hatte mit dem Katholizismus überhaupt nichts mehr am Hut. Das lag sicher auch am erotisch aufgeladenen Umfeld dieser Schule. Aber mit welcher Radikalität ich alles über Bord geworfen habe, kann ich bis heute nicht verstehen.
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