Begegnungsort
Einen Ausflugsort neu erfinden
Die Heymannbaude in der Sächsischen Schweiz war mal ein beliebter Ausflugsort. Hier trafen sich Feuerwehr und Großfamilien. Und das soll jetzt wieder so sein

s/w Foto der Heymannbaude
Die Heymannbaude im sächsischen Kleinhennersdorf wird wieder zu einem Ausflugsziel für alle
Archiv
18.06.2025
4Min

Das Elbsandsteingebirge, auch Sächsische Schweiz genannt, liegt ca. 45 Fahrminuten von Dresden entfernt. Es ist besonders schön dort. Weder Hochwasser, Waldbrände oder Waldsterben noch Wahlergebnisse scheinen sich negativ auf die Zahl der touristischen Gäste auszuwirken. Und so sind an schönen Tagen die Wanderwege gut gefüllt und die Züge an den Wochenenden proppenvoll mit Tagesausfüglern. Doch wer die bekannten Wege verlässt oder auch bei fehlenden Sonnenstrahlen dorthin aufbricht, wird schnell feststellen: Es gibt viele stille, ruhige Plätze und Dörfer.

Schon der Name drückt es aus: Kleinhennersdorf ist eben ein kleines Dorf, ca. 250 Menschen leben dort. Der Ort ist umrahmt von den markanten Sandsteinfelsen. Lange war der Ort ein staatlich anerkannter Erholungsort; seit 2018 ist er das nicht mehr.

Es ist nicht die einzige große Veränderung, die der Ort erlebte - so zum Beispiel einige Kreisreformen sowie Um- und Eingemeindungen. Jedes Mal wurde Kleinhennersdorf woanders hin sortiert, es änderte der Landkreis und damit die Zugehörigkeit. Zugleich wurden die Landkreise größer und größer.

"Die Menschen hier erinnern sich viel." So drücken es Helena Fernandino und Torsten Haubold aus, als ich mich mit ihnen unterhalte. Beide sind sehr engagiert, denn sie versuchen seit etwa zwei Jahren der Heymannbaude wieder einen Charakter und Nutzen zu geben.

Das Wort Baude verwenden wir hier in der Region für eine abgelegene Hütte oder eine Art Berggasthof. Die Heymannbaude in Kleinhennersdorf war genau das. Sie war ein Ort, an dem sich Ausflügler und Familien trafen, zu großen Festen im Saal, oder auch einfach nur auf eine kleine Stärkung in der Gaststätte. Ich hatte schon früher immer mal wieder von der Baude gehört, gerade in letzter Zeit, denn da tut sich was. Also wollte ich mehr wissen und wir haben miteinander telefoniert.

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Um zu beschreiben, was die Heymannbaude heute ist, müssen auch Helena Fernandino und Torsten Haubold in die Vergangenheit zurückblicken. Als das Haus geschlossen wurde, verloren viele Vereine der Region einen angestammten Ort. Traditionen, Brauchtum und Gewohnheiten gingen verloren. Ohne die Baude fehlte die Möglichkeit, diese lebendig zu halten. Helena Fernandino nennt sie "liebevolle dörfliche Ereignisse" und erzählt zum Beispiel von einer Art kulturellen "Faschingsbrauch". Derartige Feste fanden statt, weil es einen Ort dafür gab. Es gab und gibt keinen anderen Saal in der nahen Gegend, nicht einmal eine Dorfkirche.

Nun aber gibt es den Verein "Kulturbaude und Landkunst e.V.", Torsten Haubold und Helena Fernandino gehören dem Vorstand an. Kulturfördernde und demokratiestärkende Initiativen sollen hier treffen können, einen Anlaufpunkt finden, andere einladen und gemeinsam ihre Vorhaben umsetzen. Haubold beschreibt es so: "Das Gebäude soll den Verbund der Menschen stärken. Der Gemeinschaftswille des Dorfes kann dadurch wachsen." In dem Gespräch verstehe ich, dass die Möglichkeit, überhaupt einen Ort zu haben, auch dafür sorgt, dass viel mehr Begegnungen und Gespräche stattfinden, und nicht nur mit dem vertrauten Nachbarn am gemeinsamen Gartenzaun. Und am wichtigsten: All das können die Kleinhennersdorfer jetzt selbst machen. Sie können einfach loslegen, sich selbst ausprobieren, Formate testen - zum Beispiel durch einen Flohmarkt oder andere sehr niedrigschwellige Ideen.

An schönen Wochenenden hat das Gartencafé geöffnet, eine neue Festivalkultur kann entstehen

Es soll auch wieder ein Bettenhaus geben, für Einzelne und kleine Gruppen. Ein wichtiger Schritt, denn dann können auch Vereine oder Gruppen hier übernachten, wenn sie ein Seminar veranstalten. Es brauche das Aufbrechen von den festen "Blasen", in denen sich die Kleinhennersdorfer sonst in ihrem Alltag begegnen, meinen meine beiden Gesprächspartner auch noch.

Die Leute seien stark eingebunden in ihren Alltag. So nehme das berufliche Pendeln sehr viel Zeit in Anspruch und das lasse wenig Freiraum für einen wirklichen Austausch mit Andersdenkenden. Wer auf dem Land lebe, sei tiefer und enger im eigenen Lebensumfeld verwurzelt und bleibe dann auch meistens dort. Andersdenkende haben es schwerer, sich dort zu integrieren. Beide beschreiben mir dies als einen Unterschied im Vergleich zur Anonymität einer Stadt.

Die Baude wird gebraucht in Kleinhennersdorf, doch all das kostet Geld. Geld, das nicht verlässlich da sei, höre ich. Zwar gab und gibt es immer mal wieder Fördermittel, zum Beispiel von Stiftungen. Auch die öffentliche Hand finanzierte in der Vergangenheit einige Vorhaben, aber das galt immer nur für ausgewählte Projekte und war zeitlich begrenzt. Es fehlt weiterhin eine verlässliche institutionelle Förderung für soziale Angebote. Doch die beiden bleiben zuversichtlich. "Alles geht weiter", meint Haubold.

Und tatsächlich geschieht genau das, denn immer mehr Menschen im Dorf übernehmen Verantwortung, als Individuum. Es gibt Filmabende, Tanzkurse, ein Theaterfestival, Vorträge, Konzerte, Erzählcafes und vieles mehr. Der Ort entwickele sich immer mehr zu einer "Werkstatt für die Gemeinschaft": "Sägewerk, Feuerwehr und Bergrettung, sie sind hier verwurzelt und mit eingebunden", sagt Helena Fernandino.

Undatierte Postkarte mit der Heymannbaude in Kleinhennersdorf

Das Interessante an dem Gespräch für mich war, dass wir nicht einmal über Politik oder Wahlverhalten gesprochen haben. Im Zuhören fiel mir auf, dass es den Engagierten rund um die Heymannbaude um das Umsetzen von Ideen geht, und ihnen genau dies in kleinen Schritten zu gelingen scheint. Und ich weiß, es gibt in den ostdeutschen Regionen noch zahlreiche Orte, an denen Ähnliches wie in Kleinhennersdorf gelingt.

Ich denke bei mir, dass wenn die Visionen bereits vorhanden sind, dann werden sich auch die Personen finden, die sie verfolgen und Realität werden lassen. Und das ist ein großes Stück völlig berechtigter Zuversicht. Es geht weiter.

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Kolumne

Christian Kurzke

Christian Kurzke stammt aus Ostdeutschland und arbeitet heute bei der Evangelischen Akademie in Dresden. Anke Lübbert wurde in Hamburg geboren, lebt jedoch seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Greifswald. Beide schreiben sie im Wechsel über Politik und Gesellschaft aus ihrer Sicht. Alle zwei Wochen