Autos auf einem Rodelberg in Opava, Tschechien, den die Flut umschließt
Manche Bilder sagen wirklich mehr als tausend Worte. Diese kleine Erhebung in Opava, Tschechien, war mal zum Rodeln gedacht
Miroslav Puchalter
Hochwasser in Mitteleuropa
Jahrhunderthochwasser? Nein! Eine Katastrophe mit Ansage
Wenn wir in der Klimakrise bestehen wollen, müssen wir lernen, anders und genauer über das Problem zu reden. Und wir brauchen Bilder, die nicht nur Angst, sondern auch Mut machen
Tim Wegner
17.09.2024
4Min

Die menschengemachte Erderwärmung ist auch eine Krise der Bilder und der Worte. Das kann man dieser Tage angesichts der Überschwemmungen in Polen, Tschechien, Österreich und anderen Ländern sehen und hören. Da ist einmal mehr von "Jahrhundertflut" oder "Hochwasser-Drama" die Rede.

Diese Worte verschleiern. Der Begriff "Jahrhunderthochwasser" legt nahe, dass etwas Seltenes geschieht, das seine Wucht nur einmal im Jahrhundert entfaltet. Aber allein die Elbe führte in diesem jungen Jahrhundert schon mehrfach schlimmes Hochwasser; 2002 war das Hochwasser gar wahlentscheidend, weil Kanzler Gerhard Schröder in Gummistiefeln nach Sachsen geeilt war. 2021 richteten große Regenmengen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, hier besonders im Ahrtal, enorme Schäden an, traumatisierten unzählige Menschen und forderten mehr als hundert Todesopfer. Auch diese Fluten beeinflussten die Bundestagswahlen, nachdem Unions-Kandidat Armin Laschet, der das Katastrophengebiet besuchte, bei unpassender Gelegenheit gelacht hatte.

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Vergangenen Winter traten besonders in Niedersachsen Flüsse über die Ufer. Und erst im Juni dieses Jahres gab es in Baden-Württemberg und Bayern sehr schwere Hochwasser, die Schäden in Milliardenhöhe anrichteten. Damit haben wir nur über Deutschland gesprochen - in anderen Weltregionen verursachen Wetterextreme ebenfalls schwere Schäden.

Nein, um Jahrhundertereignisse handelt es sich nicht. Wir sehen die direkten Folgen der menschengemachten Erderwärmung. Sie hat dramatische Auswirkungen, ja. Aber ein "Drama" ist es nicht – das meint eher etwas, das einem irgendwie zustößt: ein unausweichliches Schicksal, eine Krankheit oder ein Unfall.

Was wir erleben, ist eine Katastrophe mit Ansage. Zur Erinnerung: 1979 diskutierten Forschende unter dem Dach der Weltorganisation für Meteorologie in Genf, dass ein Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration das Klima auf der Welt gefährlich erwärmen würde. Das ist 45 Jahre her.

Seitdem steigt in der Erdatmosphäre die Konzentration an Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, die entstehen, wenn Kohle, Öl und Gas verbrannt werden, weiter an. Wer nun eine "Jahrhundertflut" oder ein "Drama" beklagt, lenkt – gewollt oder ungewollt – davon ab, dass es Menschen gibt, die Verantwortung dafür tragen: Es sind Menschen in der Politik, in Unternehmen und Lobbyorganisationen, die noch ein bisschen länger Geld mit den fossilen Energien verdienen wollen.

Der "Spiegel"-Kolumnist und Autor Christian Stöcker schreibt in seinem Buch "Männer, die die Welt verbrennen", dass global jedes Jahr eine Billion Dollar an Subventionen in die Taschen derer fließen, die Kohle, Gas, Öl, Benzin, Diesel oder Kerosin verkaufen. Stöcker beruft sich auf den Internationalen Währungsfonds. Die Profiteure sitzen beispielsweise in der Luftfahrtindustrie, weil der Flugverkehr geringer besteuert wird als Bahnreisen.

Und es sind nicht nur die Worte, es sind auch die Bilder: Wir sehen Autos, die im Wasser stehen oder in Bäumen hängengeblieben sind. Wir sehen zerschmetterte Häuser, Panik und Verzweiflung. Das wirkt, ja, das ist uns näher als Fotos von Eisbären, denen das Eis unter den Pranken wegschmilzt - mit diesem Motiv bebilderte man früher gern den Klimawandel. Und doch stumpfen wir ab und verdrängen. Klar, es gehört zur Chronistenpflicht der Medien, Schäden abzubilden. Aber diese Aufnahmen machen Angst - und was uns Angst macht, schieben wir weg. "Climate change is a psychological crisis, whatever else it is", schrieb der US-Psychoanalytiker Bruce Poulsen: Der Klimawandel ist auch eine psychologische Krise. Wenn wir das nicht berücksichtigen, wird das Problem nicht gelöst.

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Wenn wir die Klimakrise abmildern wollen, brauchen wir Worte und Bilder, die nichts verschleiern und Ursache und Wirkung möglichst klar und einfach erklären.

Ein Versuch: Je wärmer die Luft, die uns überall auf der Welt umgibt, im Durchschnitt wird, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen. Je wärmer die Meere sind, desto mehr Wasser geben sie an die Luft ab. Genau das ist nach dem heißen Sommer über dem Mittelmeer passiert. Die feuchte Luft zog erst an den Alpen vorbei und drehte sich dann von Norden her gegen das Gebirge. Dass es hier bei uns vorige Woche kühl war, hat alles verschlimmert, weil kühlere Luft das viele Wasser erst recht nicht mehr halten konnte. Es regnete und regnete und regnete.

An den Katastrophenbildern kommen wir nicht vorbei. Aber wir müssen sie um positive Zukunftsbilder ergänzen, die uns keine Angst machen. Von begrünten Innenstädten zum Beispiel, die nicht so aufheizen und einladender sind als viele Stadtzentren, die wir bisher kennen. Oder von Photovoltaikanlagen, die über Äckern aufgeständert werden. Oben ernten wir Sonnenlicht, darunter gibt es Schatten, so dass das kostbare Wasser weniger verdunstet.

Derzeit tut die Politik in Deutschland allerdings so, als sei Migration das einzige Thema, das Klima ist weit nach hinten gerutscht auf der Agenda. Aber was wird in Zukunft wohl ein Hauptauslöser der Migration sein?

Kleiner Tipp: Es hat mit dem Klima zu tun.