Schokolade mit Innenleben, die knusprige Füllung aus Kadaifi und Pistaziencreme ist das Besondere
Tobias Schwarz/AFP/Getty Images
Dubai-Schokolade
Viel Trara ums Engelshaar
Wieso wird eine Schokolade deutschlandweit zum Hype? Ich habe Dubai-Schokolade getestet - und was soll ich sagen: Sie schmeckt...
Nicole Keller
08.01.2025
4Min

Ich habe eine seltsame Beziehung zu Trends. Ich bekomme sie mit, gewiss, und verbringe anschließend zu viel Zeit damit, mich zu wundern. Das wiederum macht es unmöglich, eine der ersten zu sein, die die Welle mitreitet. Wenn ich dann zaghaft überlege, das neue sagenumwobene Produkt vielleicht auch mal zu probieren, ist es meist schon wieder out.

Ich hätte wetten können, dass es auch mit der Dubai-Schokolade so sein würde. 2021 wurde sie in Dubai erfunden. Dann ging die Komposition aus Schokolade, Pistazie und knusprig-süßem "Kadaifi" (Engelshaar) im Herbst 2024 im deutschsprachigen Raum viral.

Influencer*nnen erzählten aufgeregt, was sie alles getan hatten, um an eine der begehrten Tafeln zu kommen. Kurze Videos zeigten die Dubai-Schokolade in perfekter Ausleuchtung in Nahaufnahme in ihren unterschiedlichen Schichten: dünne Schokoladenplatten, cremige Pistaziencreme, Pistaziencrunch sowie das filigrane "Engelshaar". Beim "Engelshaar" handelt es sich um hauchdünne, sehr süße und leicht gewürzte Teigfäden, die man von vielen orientalischen Desserts kennt (z.B. Baklava). Häufig sind sie gefüllt, bei der Dubai-Schokoalde kommen sie solo zum Einsatz und sorgen für den besonderen crunch und nochmal eine Extra-Portion Süße.

Soweit ich das sehen kann, sind sie der aufwendigste Part bei der Herstellung. Die einzelnen Zutaten (Mehl, Maisstärke, Öl, Zucker, Salz, teilweise Gewürze wie Zimt oder Nelken) sind simpel und nicht besonders preisintensiv, aber die Herstellung erfordert Zeit und viele Handgriffe.

Beim Durchbrechen folgte ein so perfektes Knacken, als wäre eigens ein Sound-Designer eingeflogen worden. Die ersten importierten Tafeln wurden an wenigen Verkaufsstellen feilgeboten und zu horrenden Preisen bei ebay inseriert.

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"Eintagsfliege", dachte ich zu diesem Zeitpunkt noch. Hatten wir das nicht auch schon mit anderen Food-Trends erlebt? Dem Cruffin, zum Beispiel. Einer Mischung aus Croissant und Muffin. Hat sich meines Wissens nach nie wirklich durchgesetzt. Doch die Dubai-Schokolade setzte ihren Erfolgsweg unbeirrt fort: Einige Confiserien boten mittlerweile handgefertigte Exemplare an. Tafelpreis: zwischen 15 und 20 Euro. Die ersten Rezepte zum Selbermachen kamen. Ich nahm all das wahr - und blieb doch ungerührt.

Ich lachte über einen Facebook-Post, der eine unprätentiöse Scheibe Mortadella als "Dubai-Wurst" anpries. Und über die Menschen, die sich in der Vorweihnachtszeit nachts um zwei (!) in einer bekannten Hamburger Einkaufsstraße anstellten, um am nächsten Morgen ab zehn Uhr den kleinen Lindt-Store dort zu stürmen. Ernsthaft? Acht Stunden frieren für eine Tafel Schokolade? Während sich die PR-Profis von Lindt sicher riesig über die Aufmerksamkeit freuten, fragte ich mich immer lauter: warum?

In einer Zeit, in der wir alle beim Einkauf die steigenden Preise im Geldbeutel merken, geht eine sauteure Schokolade durch die Decke. Sparkurs und dann ein so dekadentes Produkt - wie geht das zusammen?

Ich glaube, die Antwort liegt in einem mächtigen kleinen Wort: trotzdem. Wir müssen das Geld zusammenhalten und wollen trotzdem mal über die Stränge schlagen. Wir schieben die nächste große Reise um ein weiteres Jahr und wollen trotzdem etwas außer der Reihe tun. Und wenn es nur der Kauf einer fancy Schokolade ist, die das Wort Dubai im Namen trägt.

Vielleicht ist das Knacken beim Aufbrechen gar nicht so spektakulär wie in den Insta-Videos. Vielleicht ist der Geschmack nur gut, aber nicht außergewöhnlich. Trotzdem. Jetzt erst recht! Eine kleine Unvernunft. Genau das ist es doch, was Luxus ausmacht: kostspieliger, verschwenderischer, den üblichen Rahmen (der Lebenshaltung) stark übersteigender, nur dem Genuss und Vergnügen dienender Aufwand, sagt das Oxford-Lexikon. Aha.

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Gern würde ich von mir behaupten, dass ich dieses Spielchen durchschaut und mich nicht habe mitreißen lassen. Die Wahrheit ist: Ich bin eingeknickt - allerdings nicht so krachend wie hauchdünne Schokoladenplättchen, sondern eher unauffällig und - sagen wir, wie es ist - etwas peinlich.

Beim Gemüseladen meines Vertrauens stand ich schwer bepackt in der Schlange. Kurz vor der Kasse sah ich sie. Da soll mal einer sagen, die berühmte Quengelware ziele nur auf Kinder ab… Mitnichten. Im schummrigen Licht las ich das Preisschild: 2,49 Euro für eine kleine Tafel. Was hatte das zu bedeuten? War das etwa doch schon der Anfang des Endes vom Dubai-Trend? Oder hatte mein Gemüsehändler schlicht falsch ausgezeichnet?

Natürlich landete die Tafel in meinem Korb. Ich zahlte und ging erwartungsvoll nach Hause. Dort packte ich meinen Einkauf aus - einen stattlichen Berg Gemüse und die filigrane, schön verpackte Dubai-Schokolade. Ein Blick auf den Bon ergab, dass ich dringend einen Augenarzt-Termin benötige. Es waren 7,49 Euro, nicht 2,49 Euro. Nun gut. Ich rief die Kinder und gemeinsam zelebrierten wir das Öffnen der Tafel. Jeder bekam sein Stück. Und was soll ich sagen? Sie war gut. Wirklich gut. Nicht außergewöhnlich, nicht unvergesslich, aber wir drei fühlten uns ein wenig verwegen, in diesem Moment in der heimischen Küche, wir grinsten uns verschwörerisch zu und ja: Vielleicht ist es genau das, was den kleinen Alltagsluxus ausmacht.

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Kolumne

Katharina Wilck

Die Freude an gutem Essen und das Erzählen schöner Geschichten, das sind zwei große Leidenschaften von Küchenzeile-Autorin Katharina Wilck. Und bitte alles immer gut gewürzt, denn die gelernte Journalistin mischt in ihrer Hamburger Manufaktur spannende Gewürze zusammen. Jeden zweiten Mittwoch.