Energiewende
Eine Lobbyistin im Ministerium?
Eine der ersten Amtshandlungen von Katherina Reiche: Sie strich das Wort "Klimaschutz" vom Briefkopf ihres Ministeriums und scheint damit die Richtung vorzugeben - zurück zum Erdgas
Katherina Reiche, Carsten Schneider bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD
Katherina Reiche (CDU), Bundeswirtschaftsministerin im Kabinett Merz
Jürgen Heinrich / SZ Photo / picture alliance
Tim Wegner
26.05.2025
4Min

Ihre Worte hinterließen Eindruck. Als Katherina Reiche das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz übernahm, lobte sie ihren Vorgänger Robert Habeck. Der Grünen-Politiker habe nach Russlands Überfall auf die Ukraine eine "fast übermenschliche Leistung" erbracht. Zur Erinnerung: Damals war uns allen schlagartig klargeworden, wie abhängig Deutschland von russischem Gas geworden war. Habeck musste schnell handeln, beschaffte Flüssiggas aus aller Welt und schob den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie an. Dass Katherina Reiche ihren Vorgänger lobte, brachte ihr in sozialen Netzwerken wie "LinkedIn" viel Respekt ein.

Nicht einmal drei Wochen sind vergangen seit Reiches anerkennenden Worten. Heute muss man sich fragen: Steckte hinter den Komplimenten mehr als nur Respekt? Wollte die CDU-Politikerin von ihrer Agenda ablenken? Das Ministerium, dem Reiche vorsteht, heißt heute jedenfalls anders als unter Habeck, nämlich nur noch Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das Thema Klimaschutz ist nun im Bundesumweltministerium verortet.

Das passt. Denn Katherina Reiche schickt sich an, eine Anti-Klimaschutzministerin zu werden, die auch vor populistischen Tönen nicht zurückschreckt. So kündigte sie an, es müsse "Schluss sein mit dem Zwang zur Wärmepumpe". Allein: Diesen Zwang hat es nie gegeben. Im Gebäudeenergiegesetz ist lediglich festgeschrieben, dass neue Heizungen zu zwei Dritteln mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Wie das geschieht, schreibt das Gesetz nicht vor. Noch im Wahlkampf hatten Energieberater und die Heizungsbranche geradezu flehentlich dafür geworben, bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern für Planungssicherheit zu sorgen und keine neue Verunsicherung zu stiften. Genau das macht Reiche jetzt. Und redet all jenen nach dem Mund, die nicht möchten, dass sich die Dinge verändern.

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Dabei sind Wärmepumpen eine vernünftige, zukunftssichere Lösung. Mit der Ausweitung des EU-Emissionshandels werden Öl und Gas ab 2027, in weniger als zwei Jahren, absehbar deutlich teurer. Reiches Aufgabe wäre es, die politische Führung zu übernehmen und die Menschen darauf vorzubereiten. Oder will sie keinen schärferen Emissionshandel? Man möchte schon die Uhr danach stellen, dass sie dieses Klimaschutzinstrument in Frage stellt.

Denn Reiche scheint sehr am Erdgas zu hängen. 2015 – nach 17 Jahren im Bundestag – wechselte sie an die Spitze des Verbands Kommunaler Unternehmen. Der Verband vertritt die Interessen der kommunalen Energie-, Wasser- und Entsorgungsunternehmen. Aus der Abgeordneten Reiche wurde die Lobbyistin Reiche. Dazu muss man wissen: Setzen sich Alternativen zu Gasheizungen wie eben die Wärmepumpe in Deutschland durch, wird das Gasnetz zunehmend wertlos. Deshalb bekämpfte der Verband Kommunaler Unternehmen die Reform des Gebäudeenergiegesetzes nach Kräften.

Freilich war Reiche zum Zeitpunkt der Debatten um den "Heizungshammer" schon weitergezogen. 2020 wurde sie Vorstandsvorsitzende der Eon-Tochtergesellschaft Westenergie, einer Betreiberin von Verteilnetzen für Wasser, Strom, Internet – und: Gas. Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl, sagte Ende April: "Mit Frau Reiche wird eine Energieunternehmerin zur Energieministerin gemacht. Sie wird sich in ihrer neuen Position kaum aus allen Entscheidungen zurückhalten können, die ihren jetzigen (mittlerweile ehemaligen, Anmerkung der Redaktion) Arbeitgeber betreffen. Es ist höchst fraglich, ob Reiche die nötige kritische Distanz und Unabhängigkeit zur Energiewirtschaft einhalten kann, um ausgewogen zu entscheiden." Christina Deckwirth soll offenbar recht behalten.

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Kaum im Amt, kündigte Katherina Reiche neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von 20 Gigawatt an. Sie begründete diesen Schritt mit der Versorgungssicherheit. "Wir brauchen flexible Gaskraftwerke, die dann Strom liefern, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint." Auch Robert Habeck wollte neue Gaskraftwerke – allerdings weniger und auch nur solche, die perspektivisch mit Wasserstoff betrieben werden können.

Wasserstoff wiederum lässt sich erzeugen, wo oder wenn erneuerbare Energien im Überfluss vorhanden sind. Davon ist bei Reiche keine Rede mehr. Sie hat kein Problem mit Erdgas – das bei dessen Verfeuerung entstehende Kohlendioxid könne ja unter die Erde verpresst werden. Dass dies – erstens – den Betrieb von Gaskraftwerken extrem teuer machen würde und dass – zweitens – vermutlich niemand über Kohlendioxidspeichern leben möchte, sagt die Ministerin nicht.

Es ist atemberaubend, wie kurzsichtig Katherina Reiche agiert. Erdgas kommt häufig aus Ländern, die mit unserer freiheitlichen Werteordnung wenig gemein haben. Russland ist ein Beispiel dafür, die Golfstaaten auch – und die USA unter Trump darf man getrost ebenso dazu zählen. Zudem entstehen auch bei der Förderung und dem Transport Treibhausgase, nicht nur bei der Verbrennung. Gas ist deshalb so klimaschädlich wie Kohle. Wie war das noch mit dem aktuellen Dürrefrühjahr, in dem auf Island Sommertemperaturen herrschten?

Bleibt zu hoffen, dass Reiches Ministerkollege Carsten Schneider im Kabinett seine Stimme erhebt. Schneider ist Bundesumweltminister, die Kompetenz für den Klimaschutz liegt nun in seinem Haus. Allerdings hat sich Schneider nie als Fachpolitiker im Umweltbereich hervorgetan. Anders als Katherina Reiche auf dem Feld der Energiewirtschaft - nur leider nicht auf dem Gebiet von Technologien aus der Vergangenheit.

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Kolumne

Nils Husman

"Wir müssen die Schöpfung bewahren!“ Da sind wir uns alle einig. Doch was heißt das konkret? Nils Husmann findet, wer die Schöpfung bewahren will, sollte wissen, was eine Kilowattstunde ist oder wie wir Strom aus Sonne und Wind speichern können – um nur zwei Beispiele zu nennen. Darüber schreibt er - und über Menschen und Ideen, die Hoffnung machen. Auch, aber nicht nur aus Kirchenkreisen.