Anna*, Jahrgang 1982:
Wir wollten am Abend in Urlaub fahren, die Koffer standen schon gepackt im Flur. Ich holte die Kinder vom Kindergarten ab. Währenddessen ist mein Mann ganz plötzlich verstorben. Ohne irgendwelche Vorzeichen. Es stellte sich heraus, dass er eine Herzerkrankung hatte. Ich brachte die Kinder zu einer Nachbarin, rief den Notarzt, versuchte meinen Mann zu reanimieren. Es war zu spät. Wir konnten uns nicht verabschieden. Das ist gerade zwei Jahre her.
Das Schlimmste für mich war, es meinen Töchtern zu sagen. Es war abends bei den Schwiegereltern, ich saß allein mit den Kindern auf dem Sofa und versuchte, es ihnen irgendwie zu erklären. Sie waren ja erst drei und fünf.
Kinder in diesem Alter haben glücklicherweise nicht so die Vorstellung davon, was "endlich" ist, was Tod bedeutet. Die Jüngere hat viel davon gesprochen, dass der Papa im Himmel ist, vor allem, wenn sie gewickelt wurde und nach oben guckte. Aber beide haben mich nie gefragt, ob der Papa zurückkommt.
Aus den Kleidungsstücken meines Mannes haben wir Kissen genäht. Auch eine riesige Patchworkdecke. Darin ist dann zum Beispiel ein Stück Jeans. Eine sehr liebe Freundin hat sich darum gekümmert, dass das gemacht wird.
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"Ich bin hier & du bist tot. Der Trauerpodcast."
Podcast von Stephi und Jenni, zwei jungen Frauen, die beide ihren Partner verloren haben und sich im Podcast darüber unterhalten, wie es ist, wenn schon das Kauen zu anstrengend ist, welche Notfallpläne ihnen über schwierige Tage helfen und warum Wut zur Trauer gehört.
VIDU ist ein Selbsthilfeverein für früh verwitwete Menschen. Man muss nicht Mitglied sein, um Unterstützung zu bekommen und am Austausch teilzunehmen. Bundesweit gibt es ein Netz regionaler Gruppen.
Sehr geehrte Redaktion,
Sehr geehrte Redaktion,
einige persönliche Anmerkungen zu dem Thema.
Bis wann ist man "Jung verwitwet"?
Ich wurde mit 60 Jahren Witwer. Noch voll im Beruf. Die Kinder aus dem Haus und weit weg.
Zu alt für einen kompletten Neuanfang. Zu jung, um zu resignieren und eben "die paar Jahre noch rumzubringen".
In Ihrem Artikel kommen drei Frauen und ein Mann zu Wort. Das Verhältnis von Witwen zu Witwer ist noch viel gravierender.
In unserem Rotaryklub gibt es 15 Witwen - aber zwei Witwer. Im Alter dazuhin über 20 Jahre auseinander.
Während aber die wenigen Männer in den Altersheimen - sofern sie rüstig sind - fast "der Hahn im Korb" sind, weiß das Umfeld mit einem "jungen Witwer" überhaupt nicht, wie umgehen. Also umgeht man ihn.
Selbst wenn die emotionale Belastungen bei beiden Geschlechtern dieselben sind, haben die Frauen oft zusätzliche finanziell-wirtschaftliche Probleme.
Bei uns Männern überwiegen dagegen die sozialen Umfeldprobleme.
Wir finden kaum unseresgleichen. Es fehlt der Austausch. Es fehlen auch Hilfsangebote.
Die größte Enttäuschung war dabei für mich - und nicht nur für mich - die Kirche. Für diese war - da meine Frau katholisch war - nach der Beerdigung der Ehefrau "das Thema erledigt". Der evangelische Witwer "fand nicht statt".
Und der evangelische Pfarrer beauptete später vom Tod der Ehefrau trotz regelmäßigen gemeinsamen Kirchenbesuches, trotz wohnhaft in einer "übersichtlichen" kleine Gemeinde, trotz einer Beerdigung mit 400 Teilnehmern und Anzeigen in der Tageszeitung nichts vom Tod der Frau seines evangelischen Gemeindemitgliedes erfahren zu haben. Wen wundern da Kirchenaustritte bei so verstandener "Seelsorge".
Während sich Witwen und Frauen schneller finden - eben auch der Anzahl gleich Betroffener geschuldet - bleiben wir Männer oft einsam. Und nicht nur am Sonntag! Wie oft habe ich meine Sekretärin am Freitagnachmittag um 16h in das Wochenende verabschiedet und sie war am Montag früh um 8h der erste Mensch, der wieder mit mir gesprochen hat.
So viel nur kurz ein paar Zusatzbemerkungen.
Mit freundlichen Grüßen
Albert Häberle
Schwäbisch Gmünd
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Liebe Frau Holch, lieber Herr
Liebe Frau Holch, lieber Herr Höfer,
mit den vier sehr traurigen, jedoch nicht verzweifelten Berichten von den früh Verwitweten sowie den einfühlsammen Photos
ist Ihnen ein Glanzstück gelungen.
Danke vor allem an die vier Betroffenen, die so mutig von diesem erschütternden Ereignis erzählten.
Die Zeilen des Kirchenliedes "Das wünsch ich mir, dass immer einer bei dir wär, der lacht und spricht: Fürchte dich nicht."
haben mich sehr bewegt.
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Liebes chrismon-Team,
Liebes chrismon-Team,
ich kann die Berichte dieser Menschen absolut nachvollziehen - leider aus eigener Erfahrung. Als ich 20 Jahre alt war, habe ich meinen Vater durch Krebs verloren.
Er hat ca. 2 Jahre gelitten, das war 1982. Danach ist die Familie mehr oder weniger zerbrochen.
Als ich 34 Jahre alt war, habe ich meinen Ehemann bei einer Geschäftsreise begleitet. Auf dem Rückweg zum Flughafen gab es einen schweren Autounfall. Wir waren zu fünft im Auto - nur ich habe überlebt.
Als ich im Krankenhaus nach wochenlangem künstlichen Koma wieder aufgewacht bin und nach meinem Mann gefragt habe, habe ich instinktiv schon gespürt, dass er wohl nicht mehr kommen würde.
Das ist jetzt 25 Jahre her. Ich habe jahrelange Therapiebegleitung von einem sehr guten Psychologen gehabt. Dabei habe ich gelernt, dieses Unfassbare anzunehmen und die verschiedensten Gefühlslagen zu begreifen.
Es gab immer wieder Momente, in denen ich mich gefragt habe, warum das Schicksal mir das angetan hat und warum "man" mich nicht auch hat sterben lassen. Die Wut auf meinen Mann, dass er mich allein gelassen hat, dass ich alles selbst irgendwie regeln musste (Erbschaft, Versicherungen, finanzielle Dinge etc.), obwohl ich selbst noch nicht wieder ganz gesund war, denn das hat auch sehr lange gedauert.
Heute bin ich schon seit langem wieder glücklich liiert, es geht mir gut, ich kann ein schönes Leben führen. Ich kann mit dem Erlebten und dem Verlust leben, mein verstorbener Mann wird immer seinen Platz in meinem Herzen haben. Der Schmerz aber wird niemals vorbei sein.
Mit freundlichen Grüßen
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Meine Eltern leihen mir oft
Meine Eltern leihen mir oft ihr Chrismon Heft aus. Dieses Heft war ihnen ein besonderes Anliegen mir zu geben, denn auch ich bin jung verwitwet. Danke dafür, dass dieses Thema aufgegriffen würde. Denn es ist ein Thema, über das in der Gesellschaft wenig gesprochen wird. Und so weiß kaum einer, wie damit umgehen, wenn man auf einmal im Umfeld damit konfrontiert wird. Dann überwiegt Hilflosigkeit und Angst, viele ziehen sich zurück oder lassen nur die üblichen Floskeln fallen.
Als junge Witwe oder Witwer steht man vor vielen ganz praktischen Problemen, wie z.B. die Witwenrente, die mit ihrer Hinzuverdienstgrenze eigentlich eine Garantie für Altersarmut ist, wenn man jung verwitwet ist.
Mein Mann starb letztes Jahr bei einem Autounfall. Er war 29, ich war 38. Unsere standesamtliche Hochzeit war noch keine zwei Jahre her, die kirchliche noch kein Jahr. Wir haben 3 Kinder, das jüngste war damals gerade 3 Monate alt. Und Corona hat die Situation zusätzlich erschwert, weil das alles an Unterstützung und Hilfsangeboten gestrichen wurde oder mit den Kindern nicht möglich war. Gerade die Möglichkeit Selbsthilfegruppen zu besuchen oder an Trauergruppen teilzunehmen haben gefehlt. Plus die Möglichkeit eine richtige Trauerfeier zu haben.
Von einem Moment zum nächsten liegt die ganze Lebensplanung in Scherben. Bei uns war das Haus gerade noch nicht gebaut. Von unserem gemeinsamen Leben ist außer den Kindern und Erinnerungen nichts übrig. Und man hat auf einmal sehr viel Verantwortung und keinen, mit dem man über Probleme und Ängste wirklich reden kann. Selbst mit guter Unterstützung fühlt es sich sehr einsam an.
Danke, dass Sie über das Thema reden.
Mit freundlichen Grüßen,
Anne W.
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